Die St,Gallische Kulturstiftung spricht dem Buchbindermeister und Restaurator Louis Rietmann in Würdigung seiner Verdienste um die Rettung und Erhaltung wertvoller Kulturgüter einen Anerkennungspreis zu. Umfassende Kenntnis der Techniken und Materialien, welche in der Gegenwart und Vergangenheit angewendet werden, sind Grundpfeiler seines Schaffens. Reiche Erfahrung im Umgang mit Büchern und Schriften aller Epochen, großes Einfühlungsvermögen und eine ausgewogene Mischung von Respekt vor dem Können der Vorfahren und von Mut zu eigener künstlerischer Schöpfung haben ihn zu einem international anerkannten und gesuchten Buchrestaurator gemacht. Der Preis verbindet sich mit Dank für den erfolgreichen Einsatz zugunsten wertvoller alter Bücher und mit dem Wunsch nach Fortsetzung der langen Reihe beispielhafter Neuschöpfungen von Bucheinbänden.
Habent sua fata libelli.“ (Die Bücher haben ihre Schicksale)
Kaum jemand weiss das besser als Buchbindermeister Louis Rietmann und kaum jemand weiss von Bücherschicksalen anschaulicher und sachkundiger zu berichten, von Schäden, die entstanden sind, von den Schwierigkeiten, diese zu beheben, und von der Freude, alte, kostbare Kulturgüter in neuem Glanz und neuer Schönheit wieder erstehen zu sehen. Wie die andern beiden Preisträger hat er wesentliche berufliche Bildung erfahren an der Kunstgewerbeschule seiner Heimatstadt St. Gallen. Mit ihnen teilt er auch die Eigenschaft, an handwerkliches Können einen strengen Massstab anzulegen, und die Bereitschaft, jede Gelegenheit zu nutzen, Kenntnisse auszuweiten und fachliche Herausforderungen anzunehmen. Das Fachwissen und die positive Einstellung zum Beruf, in welchen ihn sein Vater eingeführt hat, fanden Erweiterung und Vertiefung in verschiedenen Fachschulen.
Hätte der Zweite Weltkrieg ihm nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht, er hätte eine ihm zugesprochene Stelle an der königlichen Bibliothek in Kopenhagen angetreten. Ob es dann 1966 nach der Überschwemmungskatastrophe in Florenz auch zur Mitarbeit bei den Restaurierungsarbeiten in der Biblioteca Nazionale Centrale gekommen wäre, mag offenbleiben. Wichtig ist das Ereignis jedenfalls für seine berufliche Weiterentwicklung.
Bücher haben ja nicht nur ihre Schicksale. Der Dichter Friedrich von Hagedorn meint: Ein Buch, das leben soll, muss seinen Schutzgeist haben. Louis Rietmann hat als „Schutzgeist“ viele alte Schriften und Bücher am Leben erhalten und auch zu neuem Leben erweckt. Bei der Entwicklung neuer Techniken, etwa der Pergamentanfaserung von Fehlstellen kommt ihm seine umfassende Kenntnis von Materialien, Werkzeugen und Arbeitstechniken sehr zu statten. Ganz wesentlich aber ist seine persönliche Einstellung zu den ihm überlassenen Kostbarkeiten. Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv zählen zu den zufriedenen und begeisterten Auftraggebern. Sein Ruf als hervorragender, äusserst sachkundiger und verantwortungsbewusster Buchrestaurator hat sich längst über die Grenzen der engeren Heimat hinaus verbreitet. Er freut sich sehr über die Einladung von Abt und Bibliothekar des Klosters Patmos auf dem Dodekanes, wo er in diesem Sommer weitere Pergament-Urkundenrollen und Handschriften restaurieren soll.
Trotz reger Vortragstätigkeit über Restaurierungen, Einbandkunde, und -techniken, zumeist vor fachkundiger Zuhörerschaft, findet Louis Rietmann immer auch Zeit moderne kunstvolle Handeinbände zu gestalten, welche wiederholt für internationale Ausstellungen, z.B. in Bern, Kopenhagen, München, oder Sydney ausgewählt werden. Wir begegnen kostbar und kunstvoll eingebundenen Büchern von Louis Rietmann als preisgekrönten Zeugen aussergewöhnlichen handwerklichen Geschicks und künstlerischen Empfindens unserer Zeit nicht nur als Luxuseinbände in privaten Bücherschäften und Vitrinen, sondern auch als Gebrauchsgegenstände, etwa als Gipfelbüchern auf dem ersten Kreuzberg, auf Matterhorn oder Monte Rosa
Die St. Gallische Kulturstiftung würdigt und anerkennt mit einem Preis die grossartige Leistung, welche erwächst aus der fruchtbaren Verbindung von Handwerk und Kunst und dem respektvollem Umgang mit den Kulturgütern der Vorfahren und eigener schöpferischer Gestaltung.