Mit dem Jahrespreis 2003 würdigt die St.Gallische Kulturstiftung die kulturellen und verlegerischen Leistungen der Initianten und Redakteure des Ostschweizer Kulturmagazins Saiten. Mit seinen auf hohem Niveau angesiedelten Beiträgen und dem breit angelegten Veranstaltungskalender ist es zu einem unverzichtbaren Bestandteil der regionalen Kulturszene geworden. Zudem ist das Magazin Podium für das freie Kunst- und Kulturschaffen. Ihm räumt Saiten breiten Raum ein.
Ein Saiten-Blick sagt mehr als tausend Worte
Seit zehn Jahren erscheint das Ostschweizer Kulturmagazin Saiten. Seit zehn Jahren ist die Stadt St.Gallen, ist die Region St.Gallen um ein Druckerzeugnis reicher. Seit zehn Jahren. Monatlich. Gespickt mit Informationen. Agenda. Kulturbeiträge. Verpackt in Sprache. Eigenwillig. Eingehüllt in Bilder. Schwarzweiss. Seit kurzem mit Stadtleben. Politisch. Von der Kulturinformation zur Kulturpolitik. Leidenschaftlich. Erarbeitet und herausgegeben von einem engagierten Team. Kaspar Surber, Christine Enz und Florian Bachmann. Um nur den aktuellen Kern zu nennen. Bei weitem nicht alle, die dabei sind. Am Oberen Graben. In der vor Aussenblicken unverhüllten Redaktion. Bei weitem nicht alle, die dabei gewesen sind. In den ersten zehn Jahren von Saiten.
116 Ausgaben von Saiten gibt es bislang. Darunter nur eine, die nie hätte erscheinen sollen. Eine einzige Ausgabe, die nie hätte erscheinen sollen, die aber notwendig war. Eine Nummer, die die Beweglichkeit des Saiten-Teams bewiesen hat. Die dessen enges, kritisch-liebevolles Verhältnis zur Stadt und Region St.Gallen beleuchtet hat. Die 45. Ausgabe. 4. Jahrgang. Erschienen im Dezember 1997. Eine überflüssig-notwendige Ausgabe. «Die letzten Tage der Ostschweiz». Sie ist unvergesslich. Nicht nur den Menschen, die vom Ende der zweitletzten Tageszeitung in der Stadt St.Gallen direkt betroffen waren. Sondern auch denen, die sich vor dem tiefen Sturz in die spannungslose Einöde eines ostschweizerischen Medienmonopols fürchteten. Es waren nicht wenige.
Ich weiss. Eigentlich erhalten Sie, liebe Macherinnen und Macher von Saiten, einen Preis. Den Jahrespreis der St.Gallischen Kulturstiftung. Daher sollte ich wohl die Qualität von Saiten hervorheben. Nicht Vergangenem nachtrauern. Unwiederbringlichem. Aber dass Sie gut sind, wissen wir. Wir im Stiftungsrat, die den Jahrespreis an Saiten vergeben dürfen. Und sie alle, die zur Preisverleihung in den Pfalzkeller gepilgert sind. Wer noch etwas unsicher ist, werfe den Blick in eines der hier aufgelegten Saiten-Magazine. Ein SaitenBlick sagt mehr als tausend Worte. Saiten liegt nicht nur hier auf. In diesem Saal. Man findet es vielerorts. Kann es kaufen. Oder einfach mitnehmen. Notfalls kann man Saiten aber auch abonnieren. Notfälle sind erwünscht. Die Notfallnummer steht im Impressum. Allem Idealismus zum Trotz. Ganz ohne schnöden Mammon geht’s nicht. Auch bei Saiten nicht. Saiten hat Klasse. Seine Autorinnen und Autoren durchpflügen die Kulturlandschaft. Sind selber Teil von ihr. Hinterlassen je ihre eigenen, unverwechselbaren Spuren. In Text und Bild zwischen Titelblatt und Schlussseiteninserat. Ach ja. Auch Inserate nehmen sie bei Saiten. Saitenweise.
Aber etwas ist neu. Lässt aufhorchen. Der Weg des Mitredens in der kulturpolitischen Debatte im weitesten Sinne. Der Weg des Einflussnehmens. Die Stellungnahme zum Ende der Ostschweiz. Die Anteilnahme. Die beeindruckenden Gespräche mit Betroffenen. Die Parteinahme. Die medienpolitischen Analysen. Sie sind gewissermassen ein vorweggenommener Schritt gewesen in eine neue, zusätzliche Rolle, die sich Saiten selber gegeben hat. Erst kürzlich. In der Novemberausgabe 2003. Da wurde nicht nur ein frisches Gewand übergestreift, sondern auch ein neuer Teil eingepflanzt. Stadtleben. Und eine weitere Doppelseite für kulturelle Debatten. Und dazu bemerkt: «Denn eines wollen wir vor allem mit dem neuen Saiten: Uns stärker einmischen.» Saiten bewegt sich. Weg vom reinen Kulturvermittler. Hin zum Meinungsbildner. Ein wichtiger Schritt. Einmischen. Mitreden. Bewusstmachen. Einmischen heisst: Einfluss nehmen. Was soll man davon halten? Wie soll die Politik sich dazu stellen? Die Politikerinnen und Politiker, die doch nicht selten den Eindruck vermitteln, der einzige Störfaktor, der einzige Fremdkörper in der Politik sei das Volk.
Saiten verlässt nun monatlich die vergleichsweise ruhigen Gewässer der reinen Kulturvermittlung und Kulturinformation. Es steuert die weit gefährlicheren Strudel der Politik an. Damit setzt es einen weiteren Akzent im kulturpublizistischen Schaffen unserer Region. Kulturpolitische Anliegen geraten nämlich immer mehr in die schäumenden Wogen zwischen Szylla und Charybdis. Zerschellen an den zackigen Klippen des Unverstehens, der Vorurteile, der Skepsis und der finanzpolitischen Zwänge. Kulturvorlagen bachab. Davon kennt die Stadt St.Gallen ein traurig Lied. Die Kultur muss lauter werden. Ihre Stimme nicht nur durch ihre Schöpfungen erheben. Kultur muss auch im Klartext reden. Da besteht Hoffnung. Zehntausend mal fünfzig Seiten Saiten im Monat können Einfluss nehmen. Können fernab vom Parteiengerangel die Politik in die Pflicht nehmen. Auch in Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel. Saiten kann aufrufen, der reinen Zweckorientiertheit in der Politik ein gewisses Mass Notwendiges beizumischen. Kultur ist Notwendiges. Kultur ist sogar der Motor der Wirtschaft. Nicht meine persönliche Erkenntnis. Hochobrigkeitliche Worte. Zu lesen im soeben erschienenen Gegenvorschlag der Kantonsregierung zur Initiative «Zukunft Kanton St.Gallen».
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, Saiten schafft mit an der kulturellen Identität unserer Stadt. Unserer Region. Ihr Engagement, meine lieben Macherinnen und Macher, haben Saiten zu einem unverzichtbaren Bestandteil unserer Kulturlandschaft gemacht. Sie werden weiter die Saiten zupfen und streichen. Sie werden uns weiter auf hohem Niveau, mit Pfiff und Charme, mit Tiefgang, mit Zukunftsblick, mit Ernsthaftigkeit und mit Schalk den Zugang zur kulturellen Vielfalt unserer Stadt und Region St.Gallen verschaffen. Das haben Sie angekündigt. Das haben Sie versprochen. Wir nehmen Sie beim Wort. Und Sie werden sich einmischen. Sie werden Stellung beziehen. Das haben Sie auch versprochen. Auch da nehmen wir Sie beim Wort. Sie werden dabei nicht immer Recht haben. Sie werden nicht immer Recht bekommen. Aber, meine lieben Macherinnen und Macher von Saiten, Sie werden immer etwas zu sagen haben.
http://www.saiten.ch