St. Gallische Kulturstiftung

2018, Frühjahr

Elsbeth Maag

  • aus Buchs
  • Anerkennungspreis über Fr. 15000.– für die Region Werdenberg
  • Sparte: Lyrikerin

Urkunde

Die Lyrik von Elsbeth Maag berührt und regt an, spiegelt zart ihre unmittelbare Umgebung – und wirkt trotzdem kräftig und weit über die Grenzen des St.Gallischen Rheintals hinaus. Ob Werdenberger Mundart oder Hochdeutsch – in beidem werden die Worte mit derselben präzisen Waage abgewogen.

Die Zusammenarbeit mit anderen Kunstschaffenden ist für Elsbeth Maag sowohl Bedürfnis als auch die natürlichste Sache der Welt. Die Verbindung ihrer Texte mit Musik, Malerei, Theater, Fotografie, Kulinarik oder Architektur gelingt scheinbar mühelos. Als Mitorganisatorin des Kultursommers Buchs hat sie die Region Werdenberg um fantastische Lesungen, Ausstellungen und Konzerte bereichert. Für ihr energiegeladenes, lustvolles und stetes künstlerisches und kulturelles Wirken bedankt sich die St.Gallische Kulturstiftung bei Elsbeth Maag mit dem Anerkennungspreis.

Laudatio von Adrian Scherrer, Stiftungsrat

Liebe Elsbeth Maag, geschätztes Publikum

Gerne besuche ich die Sauna. Nackt sitze ich da und schwitze – irgendwie so wie jetzt, wo ich vor Ihnen stehe. Der Schweiss rinnt mir von der Stirn und ich denke an diese Laudatio, die ich heute zu Ehren von dir, Elsbeth Maag halte. Obwohl es in der Sauna so etwas wie einen Schweige-Kodex gibt, wird oft munter drauflosgeplaudert. Dabei höre ich – mehr oder weniger unfreiwillig – manches Gespräch mit. Eines dieser Gespräche – zwischen zwei Männern notabene – handelte von Zahlen. Grossen Zahlen: Tausende, Millionen, Milliarden – wer bringt die Grössere, wer haut gröber auf die Zahlen-Pauke. Loosa und schwiga – denke ich.

 

Auch für Elsbeth Maags Lyrik braucht man ein feines, offenes Ohr– denn ihre Texte trippeln auf leisen Füssen daher. Und man muss genau hinhören, damit man versteht, was sie zu erzählen haben. «Loose un schwiiga» – muss man können, um nochmals diese eine Zeile aus ihrem Gedichtzyklus «Novembrig» zu zitieren.

Loose un schwiiga» – das kannst auch du, liebe Elsbeth. Denn auf deinen Spaziergängen und Veloausfahrten im Werdenbergischen hörst du den Atem der Steine auf einer Sandbank im Rhein, den Gesang einer Tonscherbe auf dem Acker, die Gedanken der Blätter, Gräsersätze, Gräsersprache. Du liest auch den Rhein, seine Steinschrift und Wassersprache, von der Quelle bis zum Meer. Den «Pföa» wenn er das Tal überfällt. Ja, du hörst gut zu, was dir die Landschaft und die Menschen darin zu sagen haben. Zu unserem Glück lässt du es dabei nicht bewenden.

 

«Loose und schriiba» – das kannst du besonders gut, liebe Elsbeth. Denn du notierst diese Stimmen und hältst für uns fest, was dir all die kleinen und grossen Dinge in deiner Umgebung erzählen. Die kleinen und grossen Beobachtungen am Wegrand zu finden, die «wie Wasserzeichen» über dem Offensichtlichen liegen. Diese sammelst du seit mehr als vierzig Jahren und giesst sie in wundervolle, fein geformte Sprachgefässe – deine Lyrik. Du übersetzt sie für uns schreibst sie auf, so dass wir verstehen, für was uns manchmal das Sensorium fehlt. Ob Hochdeutsch oder Mundart, «Werdenbergerisch» – in beidem werden die Worte mit derselben präzisen Waage abgewogen.

Daraus entstanden mehrere Gedichtbände, wie das 1996 erschienene Erstlingswerk «Die Steine seien gleichzusetzen den Wellen», der 2000 erschienene Band «Unter der Steinhaut» oder der 2011 erschienene Buch «Pappeln rennen durchs Tal». Aber auch an Kunst am Bau hast du dich mit deinen Texten gegen Bildende Kunst behaupten können und so erschien 2006 deine Lyrik auf den Fensterfassaden des Schulhauses Wiesental in Altstätten SG. «Ob die Texte die eine Schülerin oder den anderen Schüler zu Gedankenreisen aus dem Schulzimmer heraus verholfen hat, kann ich nur hoffen», hast du mir erzählt.

 

Anlässlich deiner Ausstellung «Tischreden» im Museümli – dem kleinsten Buchser Kunstmuseum – durfte ich dich und dein Verständnis von Lyrik dann persönlich erleben. Du hast dort deine Texte den Gästen auf einem schön gedeckten Tisch präsentiert; von Hand beschriebene Zettelchen – in Schüsseln, auf Tellern, in Weingläsern – als geistige Nahrung sozusagen. Wer Hunger hat, der greife zu! Lyrik, zugänglich für jedermann – als ein ganz wichtiges Element der Ernährungspyramide. Diese unaufdringliche Zugänglichkeit hat mich an diesem Tag genauso Beeindruckt wie deine Bescheidenheit und dein wacher Geist. Als Abschluss der Ausstellung hast du den von dir verfassten Werdenberger Talsegen vorgetragen – dieser eine Text von dir, bei dem ich am besten zu spüren meine, wie sehr diese Landschaft dich und deine Sprache geformt hat– und du mit deiner Sprache diese Kulturlandschaft prägst.

 

Mit den einfachen Zutaten, die dich und uns umgeben, bereitest du deine Häppchen. Dabei bist du keine Einzelgängerin sondern suchst und findest immer wieder die spannendsten Mit-Köche. Gar nicht bildlich gesprochen zum Beispiel bei deinen kulinarisch-literarischen Streifzügen durch Gärten und Felder zusammen mit verschiedenen Köchen im Gemeinschaftsprojekt «köche.kochen.kunst.». Oder zusammen mit dem Maler Joseph Ebnöther hast du illustrierte Gedichtbände und Wortgemälde erschaffen. In der Zusammenarbeit mit dem Musiker Peter Roth verwoben sich deine Gedichtzyklen mit der Musik im Tonträger «Novembrig» und erzählen von Leben und Tod. Gemeinsam mit dem Fotografen Sepp Köppel hast du 2017 den Bildband «Von der Durchlässigkeit der Farben, der Worte, der Bilder, der Grenzen» geschaffen, in dem Fotografie und Lyrik einen bezaubernden Kanon der Landschaft singen.

 

«Du seist zu schade, um nur zu schreiben», hat Valentin Vinzenz als Mitglied der Kulturkommission Buchs, gesagt. Natürlich meinte er das in Bezug auf deine Tätigkeit als Aktuarin der Kulturkommission. Von 2001 bis 2009 hast du dann den Kultursommer Buchs als Mitorganisatorin massgeblich mitgeprägt und die Region Werdenberg um fantastische Lesungen, Ausstellungen und Konzerte bereichert. Sozusagen als Begleiterscheinung hast du mit deinen Mitstreitern Valentin Vinzenz und Verena Van de Velde die Stüdtlimühle in Buchs als «Kulturstüdtlimühle» wieder zum Leben erweckt. «Auch in der Heimat kann man intensiv leben», sagst du als 1944 in Buchs geborene. Und dafür, dass es sich lyrisch, literarisch und kulturell gut leben lässt, hast du gleich selber gesorgt. Wir loosen und lesen, schwelgen in Erinnerungen – aber schwiiga, schwiiga können wir jetzt nicht mehr – wir sagen bravo und herzlichen Dank, liebe Elsbeth!