St. Gallische Kulturstiftung

2004, Frühjahr

Chössi Theater

  • aus Lichtensteig
  • Anerkennungspreis über Fr. 15000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Kleintheater, Veranstalter

Urkunde

Die über zwanzigjährige erfolgreiche Tätigkeit und das fast gleichlange Engagement von Ilse Pauli haben das Chössi-Theater zu einem kulturellen Treffpunkt im Toggenburg mit grosser Ausstrahlung gemacht. Dafür wird es von der St. Gallischen Kulturstiftung mit einem Anerkennungspreis bedacht.

Laudatio von Veronika Dreier Ebnöther, Stiftungsrätin

Mit grosser Geste, gleichzeitig unabsichtlich, wurde vor der letzten Eiszeit die raumgreifendste Inszenierung ins Toggenburg geworfen, als einem sagenhaften Säntisriesen der geschulterte Sack voller Häuser beim Überschreiten des Säntis an seinen scharfen Kanten hängen blieb und sich die Last durch einen langen Riss über das obere Toggenburg ergoss. Und weil ihm das Bild, das er angerichtet hatte, gefiel, liess er die Häuser, wo sie hingepurzelt waren. Unterdessen drängen sich die Dörfer der Thur entlang brav und notgedrungen an ihre Ufer. Hier herrscht Ordnung und Übersicht. Vor Überraschungen sicher, erkennt man weit im voraus, was einen erwartet: die nächste, die übernächste Ortschaft eine wie die andere, verwechselbar.

 

Menschen suchen sich entweder den geraden, schnellsten, kürzesten Weg, oder den Umweg, wo unerwartete Ereignisse, Kurven und Hügel zu finden sind. Was machen für Entdeckungen offene Menschen in einer durchkartierten Gegend? Sie zügeln in unerforschtes Gebiet. Sie werden psychisch auffällig. Sie legen das lebensnotwendige Gelände, in dem Unerwartetes passieren darf künstlich an und gründen das Chössitheater. Der Ort, wo Gründerinnen und Gründer ihre Schrittgrösse vorgaben, wo Heerscharen von Entdeckungsfreudigen Voraussetzungen dafür schufen und schaffen, dass sie und all diejenigen, denen die kulturelle Weite der Talschaft zu eng ist, dem Einen entgegen – fiebern können:

 

Dass der Vorhang aufgeht.
Die Bühne freigibt.
Wo grundsätzlich alles möglich ist.
Wo das Groteske, das Normale des Alltags, durch den Bühnenrahmen aus der gewöhnlichen Umgebung herausgelöst, Bedeutung bekommen und Sinn.
Wo der Spiegel der Zusehenden steht.
Der ihnen zeigt, wo sie stehen.
Der die verborgenen Räume ihrer Befindlichkeit reflektiert, die reif sind für ihren Auftritt im grellen Licht auf der Bühne des Bewusstseins.
Theater als Impulsraum des Menschen auf der Suche nach Wahrheit, nach sich selbst.
So gesehen ist Theater kein Luxus.
Das Chössitheater ist kein Luxus.

 

Mit dem Chössitheater haben viele Individuen in über zwei Jahrzehnten mit langem Atem, beharrlich bis hartnäckig, sorgfältig und mit selbstverständlicher Liebe einen zunächst unauffälligen Stein zu einem funkelnden Diamanten geschliffen. Sein inniges Leuchten bereichert die kulturelle Landschaft des Toggenburgs. Weder Kantons- noch Landesgrenzen vermögen seine Strahlkraft aufzuhalten. Sein Wiederschein spiegelt sich in unzähligen Künstlerherzen in der halben Welt.

Seinem Licht begegnet man in den glänzenden Augen des Publikums.
Kleiner Raum.
Kleine Geste.
Grosse Wirkung.
Nacheiszeit.

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