Mit Fantasie, Weitblick und professionellem Können, vor allem aber mit unerschöpflicher Energie und ansteckender Leidenschaft wirbelt Brigitte Kemmann durch das St.Galler Kulturleben. Sie hat mehrere Kulturinstitutionen organisatorisch und finanziell auf festen Grund gestellt und überrascht immer wieder mit Ideen, wie Kultur und Publikum, Kultur und Wirtschaft, Kultur und Politik zusammengeführt werden können. Sei es ein Kulturbeutel für neue Stadtbewohnerinnen und -bewohner oder Projekte wie «Fünf Stern» und «An wen vererben» – laufend entwickelt und begleitet sie neue Gefässe, in denen sich Mensch und Kultur in fruchtbarem Austausch begegnen und entfalten können. Mit Bewunderung und grossem Dank für dieses ausserordentliche Engagement erhält Brigitte Kemmann den Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung.
„Wir wollen auch so eine Brigitte!“ – das war vor einigen Jahren ein viel gehörter Stossseufzer, den die Leiter und Leiterinnen von jenen Kulturinstitutionen erschöpft ausstiessen, die in den 80er Jahren mit viel Enthusiasmus, ehrenamtlicher Arbeit und fast ohne Geld ins Leben gerufen worden waren. Fünfzehn Jahre später waren diese Institutionen – Kunsthalle, Kinok, Museum im Lagerhaus – inhaltlich längst professionell und erfolgreich, aber die Administration hinkte dem Erfolg hinterher und wuchs den Mitarbeitenden zusehends über den Kopf. Und da kam die Brigitte und brachte ein Schiff nach dem anderen auf Kurs und in den richtigen Wind, sodass diese bald mit vollen Segeln in eine geradezu rosige Zukunft segeln konnten. Seither geniesst sie in Kunst- und Kulturkreisen – nebst viel Sympathie und Bewunderung – auch den Ruf der Retterin in der Not.
Wenn Brigitte aus ihrem Leben erzählt, dann fällt auf, dass Neuanfänge (fast) die einzige Konstante sind. Der rote Faden aber, auf dem sich die Perlen ihrer Erfahrungen, Tätigkeiten, ihrer Lebens-Stationen und Projekte aufreihen, setzt sich zusammen aus: Begeisterungsfähigkeit, Engagement, Ideenreichtum, Weitblick, Fantasie und immer wieder einem unüberbietbaren Organisationstalent.
Doch werfen wir zunächst den Blick etwas weiter zurück. In den 70er und 80er Jahren arbeitet die geborene Stuttgarterin in Westberlin. Doch als die Mauer fällt, verlässt sie – anachronistisch und eigenwillig – die wieder vereinte Stadt und landet nach Zwischenstationen in St. Gallen, wo sie ihren Mann Dieter Kemmann kennen lernt, und Arbeit in ihrem angestammten Beruf als Kauffrau im textilen Bereich findet; bei Mettler, Häberlein, dann auch bei Schläpfer. In Windeseile lernt sie die ganze Textilbranche der Ostschweiz kennen, und reorganisiert die Firmen ihrer wechselnden Arbeitgeber mit ihrem „100 Punkte Programm“. Doch als ein Mal mehr ihre Stelle aufgehoben wird, macht sie kurzerhand eine Ausbildung zur Unternehmerin, gründet zusammen mit ihrem Mann Dieter die Firma „Highlight“ und vertreibt fortan die von ihm entworfenen Designobjekte, wie jene Kerzenständer, die wohl noch heute in zahlreichen St. Galler Wohnungen für gemütliche Stimmung sorgen.
Rettender Engel in der Kunstszene wird sie im Jahr 2000, als eine verzweifelte Dorothea Strauss Brigitte an die Kunsthalle holt. Energisch und zielsicher räumt sie die Administration so auf, dass die Kuratorin und ihre Nachfolger mit einer professionellen Struktur und gesichertem finanziellem Polster ihre ambitionierten Programme umsetzen können. Sie begleitet den Umbau und Umzug ins Erdgeschoss und verlässt anschliessend die Kunsthalle. Ihre Arbeit ist nun in der Kulturszene bereits legendär und Brigitte folgt jenen anfangs zitierten Stossseufzern und verhilft dem Museum im Lagerhaus sowie dem Kinok auf energische, von Enthusiasmus ebenso wie von Talent und Können getragene Weise zu professionellen Strukturen, ohne die sich die ganzen schönen Ideen und Programme kaum mehr verwirklichen liessen.
Nun folgt Schlag auf Schlag: Im Jahr 2003/04 organisiert sie im Auftrag des Kantons das erste Heimspiel, die neu konzipierte Ausstellung regionaler Kunst. Zusammen mit Marianne Rinderknecht vom projektraum exex entwickelt sie das erste Fünf Stern – offene Ateliers im Jahr 2006/07, das im vergangen Frühling zum zweiten Mal von ihr durchgeführt wurde. Sie gründet die Interessengemeinschaft und Internetplattform IG Archiv Ostschweizer Kunstschaffen, die den Künstlerinnen und Künstlern die Präsenz im Internet und den Interessierten einen leichten Zugang zu deren Schaffen ermöglicht.
Auch die Herkulesaufgabe, das Kinok in der Lokremise neu zu bauen und zu positionieren bewältigt sie mit Bravour.
Was Brigitte auszeichnet, sind nicht nur ihr Organisationstalent und das Feuer der Begeisterung, sondern insbesondere ihr waches Auge und ihr Ideenreichtum.
Ihre Kulturzentrale ist ein unerschöpflicher Quell neuer Ideen und Projekte. Eines der neuesten nennt sich „an wen vererben“, es will Legate und Schenkungen zu den richtigen Empfängern lenken. Dazwischen findet sie auch immer wieder Zeit, jungen KulturtäterInnen mit Rat und Tat auf die Sprünge zu helfen, wird nie müde, Kontakte zu vermitteln, und dies alles mit einer spielerischen Leichtigkeit und Freude, denen höchstens ihre Effizienz die Waage hält.
„Was ich tue, ist nicht Arbeit, sondern eine gute Beschäftigung, um meine Lebenszeit auszufüllen. Ich mache nur, was mir Spass macht“, zitierte vor einigen Monaten Ursula Badrutt Brigitte Kemmann in einem stimmigen Porträt im Tagblatt. Das spürt man!
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