St. Gallische Kulturstiftung

2000, Frühjahr

Benno Ruckstuhl

  • aus Wil
  • Anerkennungspreis über Fr. 5000.– für die Region Fürstenland
  • Sparte: Kulturvermittler

Urkunde

Benno Ruckstuhl erhält den Anerkennungspreis der St .Gallischen Kulturstiftung für sein kulturelles Schaffen, insbesondere für sein grosses, weit über das berufliche Erfordernis hinausreichendes Engagement für die Kunst-, Architektur- und Brauchtumsgeschichte der Äbtestadt Wil, der seine ganze Liebe galt und gilt.

 

Laudatio

Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Anwesende, lieber Benno Ruckstuhl,

Für die letzte Preisverleihung des heutigen Abends befinden wir uns nicht nur geographisch am richtigen Ort. Wir befinden uns — natürlich nicht von ungefähr — auch im richtigen Haus. Hier in der Tonhalle Wil hat Benno Ruckstuhl während zwei Jahrzehnten als Leiter geamtet. Geamtet? Als Leiter der Tonhalle? Nein! Dafür erhält man keinen Preis. Dafür gibt’s einen zusätzlichen Monatslohn. Oder wahlweise vier Wochen Ferien. Einen Früchtekorb mit obligatem Goldvreneli. Eine Sackuhr. Fällt alles nicht in den Zuständigkeitsbereich der St.Gallischen Kulturstiftung. Die St.Gallische Kulturstiftung zeichnet Haltungen und Handlungen aus, die darauf ausgerichtet sind, Kultur zu pflegen, zu schaffen oder zu erhalten. Hier stösst man auf Benno Ruckstuhl. Der Entschluss, ihn mit der Leitung der Tonhalle zu betrauen, hat sich als absoluter Glücksfall erwiesen. Mit seinem ausgeprägten Interesse am kulturellen Geschehen, mit seiner innigen Beziehung zur Musik, zum Theater und mit seinem persönlichen Umgang mit Menschen hat Benno Ruckstuhl die Tonhalle Wil zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Haus, das nicht nur einen festen Platz im städtisch-kulturell-gesellschaftlichen Leben einnimmt, sondern über die Stadtmauern in die Region strahlt. Weit über das beruflich Erforderliche hinaus hat sich Benno Ruckstuhl dafür eingesetzt. Es zählt zu seinen grossen Verdiensten, dass die Äbtestadt zu einem eigentlichen kulturellen Zentrum der Region geworden ist, dass die Region Wil ist kein kulturelles Brachland zwischen den beiden Anziehungspunkten St.Gallen und Winterthur bildet. Die Tonhalle ist nur eines. Wer sich mit der „Wakker-Preis-ausgezeichneten“ Wiler Altstadt befasst, kommt heute nicht um den Namen „Benno Ruckstuhl“ herum. Seine vielfältigen Arbeiten und Aufsätze atmen förmlich die starke Verwurzelung des Verfassers mit seiner Vaterstadt, mit ihrer Geschichte, ihrer Kultur, ihrem Brauchtum. Das Anliegen, Interesse zu erwecken, Kenntnisse zu vermitteln und alte Bräuche zu pflegen, schlägt sich in den vielen Publikationen nieder, die Benno Ruckstuhl herausgab oder an denen er mitarbeitete. Ich erinnere an das mehrfach aufgelegte Werk über die Wiler Altstadt. An den Aufsatz über die romanische Madonna aus der Liebfrauenkapelle bei St.Peter

 

Ich erinnere an die Publikationen über das Wiler Brauchtum, über das „Steckliträge“ oder über den Wiler Silvesterumzug. Ich erinnere an seine Arbeit über die Geschichte des Dominikanerinnenklosters St.Katharina. Ich erinnere an den Wanderprospekt, der aufzeigt, dass sich Benno Ruckstuhl auch mit der Gegenwart befasst. Es ist ihm ein Anliegen, Menschen zu motivieren, Wil und seine Umgebung kennen und schätzen zu lernen. Wer in den Schriften von Benno Ruckstuhl liest, erahnt die Begeisterung des Autors. Wer mit ihm einen Rundgang durch die Altstadt macht, spürt seine Liebe zu Wil. Der grossen Arbeit, die Benno Ruckstuhl geleistet hat, liegen für mich drei wesentliche Faktoren zugrunde.

 

  • Zum einen seine Kindheit und Jugend in Wil, seine Wurzeln.
  • Des weiteren seine Biographie. Sie macht ein weites Interessenspektrum aus: ein Journalistikstudium mit Nebenfächern Musik und Geschichte, juristische Vorlesungen sowie verschiedenartigste berufliche Tätigkeiten.
  • Der dritte — und wichtigste — Faktor scheint mir aber seine Familie zu sein. Insbesondere seine Ehefrau Sabine. Sie hat durch ihre Einstellung und ihre Mitarbeit das Wirken von Benno Ruckstuhl erst ermöglicht. Und mitgetragen. An dieser Stelle gebührt auch ihnen, Frau Sabine Ruckstuhl, unser aller Dank.

 

„Meiner Axt harrt ein amerikanischer Urwald“, beschrieb vor 150 Jahren Landammann Carl Georg Jakob Sailer, Verfasser der Chronik von Wyl, die Arbeit desjenigen, der Geschichte erforscht und zu vermitteln sucht. Auf Wiler Boden stehend gestatte ich mir, einen kurzen Passus aus dem Vorwort der Sailer’schen Chronik von 1864 zu zitieren. Der zum Schwülstigen neigende Sprachstil der Zeit vermag heute ein Lächeln zu entlocken. Die Aussage dagegen trifft meines Erachtens noch immer den Kern: „Ich habe freilich viele Stunden meines Lebens dieser Arbeit gewidmet, und Mancher wird denken, ich hätte sie gewinnreicher und angenehmer zubringen können. Mein Sinn aber steht anders. Nicht der Raum, in dem und für den sie geschieht, entscheidet über das Wackere einer Handlung. Dienen diese Blätter nur einigermassen dazu, manchen braven Mann, manche lobenswerthe That unverdienter Vergessenheit zu entreissen, Zweck und Quelle dieser und jener Einrichtung nachzuweisen, die einte oder andere jugendliche Brust an edlen Formgebilden und Bestrebungen entschwundener Zeiten zu erwärmen, und zum gleichen Wirken in der Gegenwart anzuspornen, so habe ich die Zeit, welche ich dieser Arbeit widmete, sicherlich nicht verschleudert. Wer die Geschichte des Bodens schreibt, auf dem er entspross, folgt einem Triebe der Dankbarkeit, Schöpfung mit Schöpfung zurückzugeben, und wer immer der Zukunft den Verkündiger einer Vergangenheit macht, hat kein unnützes und kein unangenehmes Werk gethan.“

 

Die Kultur ist darauf angewiesen, in geeigneter Form vermittelt zu werden. Gelingt dies nicht sind unsere Kulturschätze wertlos. Stauben sie in Museumskellern vor sich hin. Die Mona Lisa im sechsfach gesicherten Banksafe. Grauenhafte Vorstellung. So gesehen darf es vielleicht als schönstes Kompliment gelten und bringt den Grund für diese Preisverleihung auf den Punkt, wenn eine Frau zu Benno Ruckstuhl einmal sagte, früher sei sie in die Tonhalle gegangen, weil man als Wilerin aus gesellschaftlichen Gründen einfach musste. Heute dagegen ginge sie ins Theater, weil sie Freude daran habe. Das umfassende Wissen von Benno Ruckstuhl über seine Vaterstadt bildet einen unerschöpflichen Quell, der hoffentlich noch lange sprudelt. Ich hoffe, wir alle hoffen, lieber Benno Ruckstuhl, dass sie noch lange weiter arbeiten. Und denken sie stets daran: Der amerikanische Urwald ist noch lange nicht gerodet.