Aufbauend auf der Tradition soliden handwerklichen Könnens und abgestützt auf ein breites, sich stetig vertiefendes Fachwissen, hat sich der Nesslauer Uhrmachermeister Werner Anderegg als Hersteller von mechanischen astronomischen Uhren einen Namen geschaffen. In Würdigung seiner besonderen schöpferischen Leistung, welche seinen Namen weit über die Grenzen des Toggenburgs hinaus bekannt gemacht hat, spricht ihm die St. Gallische Kulturstiftung einen Anerkennungspreis zu. Der Preis verbindet sich mit Dank auch für die Bereitschaft, einer nächsten Generation neben vielfältigem fachlichem Wissen auch eine positive Lebenshaltung weiterzugeben, und mit den besten Wünschen zu erfolgreichem Fortschreiten auf dem eingeschlagenen Weg.
„Tempus fugit“ die Zeit ist flüchtig. Seit urdenklichen Tagen versucht der Mensch, der Zeit habhaft zu werden. Er misst sie nach Monaten und Jahren, er zählt sie nach Wochen, nach Tagen und Stunden. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass sich bestimmte Ereignisse in gewissen, regelmässigen Abständen wiederholen, sein Verstand erlaubt ihm, Maschinen zu bauen, um festzustellen, wieviel Zeit verstrichen, verflossen, abgelaufen ist oder wie lange es noch dauert, bis ein bestimmtes Ereignis wieder eintritt. Einen so verständigen Mann haben wir heute zu Gast: Werner Anderegg.
Uhrwerke waren ihm schon als Schulbub alltäglich, stammt er doch aus einer Familie, in welcher sich das Uhrmacherhandwerk über Generationen hinweg vom Vater auf den Sohn und jüngstens auch auf die Tochter vererbt hat. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges begann der junge Werner als 17-jähriger eine Lehre als Uhrmacher-Rhabilleur, besuchte die Uhrmacherschule in Solothurn und schloss die Berufslehre 1941 in Winterthur ab. Dort hatte er bei einem Ausflug auf die Mörsburg eine alte verrostete Uhr mit 5 Zeigern entdeck und sich spontan entschlossen, selber eine solche astronomische Uhr zu bauen. Schon die 50 Franken für ein altes Morbieruhrwerk waren in jenen Tagen für einen Lehrling eine beträchtliche Summe, von den 80 Franken, welche er für das Bemalen des Zifferblattes und die Blattvergoldung noch aufzubringen hatte, ganz zu schweigen. Der Aufwand hat sich gelohnt. Er schloss die Prüfung mit der höchstmöglichen Note ab.
Geriet dem Junghandwerker schon das Gesellenstück über Erfordernis und Erwartung, so gelang mit der astronomischen Uhr, welche er für die Meisterprüfung im Oktober 1947 baute, ein erstes grosses Meisterstück. Es blieb nicht bei dem einen! Über dreissig astronomische und Weltzeituhren hat Werner Anderegg in seiner Werkstatt in Nesslau gefertigt. Der „kleinen Welt“ im Dorf hat er eine großartige Probe seiner Handwerkskunst abgelegt. Seit 1963 ziert eine prächtige astronomische Uhrenanlage die Aussenfront seines Geschäftes. Sie stellt auch für die „grosse Welt“ eine Sehenswürdigkeit dar. Von weit her kommen Neugierige, oft in ganzen Scharen, bleiben staunend vor dem Wunderwerk stehen, das ihnen nicht nur mitteilt, wie spät es ist, sondern auch Auskunft gibt über die Stellung der Sonne und die Phasen des Mondes, den Stand der Gestirne und den Lauf der Planeten. Der Meister will auch zu erkennen geben, dass er nicht nur Uhren verkaufen und gegebenenfalls reparieren kann, sondern dass er auch imstande ist, Uhren selber zu bauen. Seine besondere Kunst, sein besonderes Können, mit astronomischen Uhren verschiedene Zeitläufe zueinander in Beziehung zu bringen und anschaulich zu machen, gereicht der ganzen Uhrmachergilde zur Ehre. Für ihn heisst es erst einmal, überlegen, zeichnen, planen, rechnen, konstruieren, heisst drehen, fräsen und feilen. Es bedeutet, handwerkliches Können mit schöpferischem Gestalten verbinden.
Auch wenn ihm das Erlebnis der Meisterschaft Freude bereitet und er seine Werke mit berechtigtem Berufsstolz betrachtet und beschreibt, so ist er trotz aller Erfolge bescheiden geblieben. Werner Anderegg, der vom „Getriebe des Planentensystems“ so viel versteht und es andern anschaulich und begreiflich machen kann, weiss wohl, dass alle Unternehmungen des Menschen Stückwerk sind und bleiben müssen Seine Werke sollen „die Mitmenschen zur Demut anregen und zu ehrfürchtigem Staunen ob der Grösse und der Ordnung des Weltalls“. Das schreibt er in seinem Buch „Die Uhrmacherei, mein Beruf und mein Hobby“ das eben erschienen ist und das seine vielen „Kunststücke“ in der seinem Berufsstand eigenen Genauigkeit in Wort und Bild vorstellt. Unsere kleine Feier ist damit auch fast so etwas wie eine Buchvernissage. Die St.Gallische Kulturstiftung würdigt und anerkennt mit einem Preis die grossartige Leistung, welche über Jahre und Jahrzehnte erwachsen ist aus der fruchtbaren Verbindung von Handwerk und Kunst.