St. Gallische Kulturstiftung

2006, Frühjahr

Verena und Robert Bamert

  • aus Berg
  • Anerkennungspreis über Fr. 10000.– für die Region Rorschach
  • Sparte: Besitzer/in Schloss Kleiner Hahnberg

Urkunde

Verena und Robert Bamert engagieren sich seit bald dreissig Jahren für das Schloss Kleiner Hahnberg. Trotz unübersehbarer Zerfallserscheinungen liessen sie sich 1977 auf das Abenteuer ein, das Schloss zu erhalten, zu restaurieren, zu unterhalten und in seiner angestammten Funktion als Wohnsitz zu belassen. Die St.Gallische Kulturstiftung dankt Verena und Robert Bamert mit einem Anerkennungspreis für ihre besondere Aufmerksamkeit, ihr Verständnis, ihren Respekt sowie ihren persönlichen und finanziellen Einsatz.

Laudatio

 

Das Wohnen im Schloss, Privileg oder Bürde?

Schloss — Märchenschloss; Herrschaft- Herrschaftssitz; Garten — Gartenparadies; Park -Parklandschaft, Raum, Weite, Abgeschiedenheit und Privatzone — das alles sind Begriffe, die für jede Zeitungsseite zum Schlagwort werden. Diesen starken, viele Bilder beinhaltenden Begriffen können wir uns nicht entziehen. Sie fesseln, regen an, sind Symbole für das Aussergewöhnliche, für Träume und Phantasien, für Begehrlichkeiten. Das kleine Attribut „Schloss“ im Telefonverzeichnis, ja wer da — selbst in unserer Republik – nicht ins Schwärmen kommt….

 

Das müsste man haben, hier sollte man leben, dies müsste einem gegönnt sein. Solches möchte man sich leisten können! Die Bewunderung ist gross: Gelüste können einem ab der Anmut dieser Orte aufkommen, dieses „Auch-einmal-haben-wollen“, dieses Partizipieren an den schönen Dingen des materiellen Lebens. Es gibt Phantasien, Hoffnungen, Luftschlösser, die für die allermeisten unter uns, kaum unterdrückbar sind. Und das ist so verständlich. Doch diese oder ähnliche Fragen sollen auch gestellt werden dürfen: Begehren wir einen solchen Besitz wirklich? Trauen wir uns das wirklich zu, die Verantwortung für solche empfindliche Kulturgüter zu übernehmen? Sind wir ausdauernd genug, die tagtägliche, an Sisyphus mahnende Arbeit dazu aufzubringen? Sind wir so stark, um unter den Sorgen um die unablässige Pflege dieser Anlagen nicht zusammenzubrechen? Ist es uns auch im nüchternen Alltag bewusst: „Die Erhaltung der Denkmäler fordert zunächst ihre dauernde Pflege“? So ist es im Grundlagenpapier der Denkmalpflege, in der 1964 verabschiedeten Charta von Venedig eingangs festgehalten. Pflege kostet, verpflichtet, bindet. Verfügen wir über das Können und die Bereitschaft Unterhaltsarbeiten und kleine Reparaturen selber zu tätigen? Haben wir das Augenmass für das Zwingende und für das Wünschbare? Sind wir uns der enormen Last der immer wiederkehrenden Reparatur- und Pflegearbeiten bewusst, dies in einer Zeit, wo geeignete Handwerker nur noch schwer zu gewinnen sind? Wollen und können wir dieses nie zu unterbrechende Engagement für einen Besitz als lebenslange Verpflichtung aufbringen? Für einen Besitz, der schön aber aufwendig, gross und kompliziert, begehrenswert doch zugleich belastend; der letztendlich nicht nur lieb – sondern tatsächlich lieb und teuer ist? Sind wir willens, unsere ganze Freizeit dafür aufzubringen, auf Ferien zu verzichten und nicht nur reichliche, sondern vor allem nicht verzinsbare Mittel dafür einen solchen Ort aufzubringen?

 

Wenn wir uns diese Fragen gestellt haben, wenn die süsslich romantische Schwärmerei vorbei ist, kommen wir — je nach unserer inneren Haltung – bald wieder auf den Boden zurück. Und, ist dieser Schritt nicht abrupt, so ist er doch meist ziemlich endgültig. Denn obwohl vor allem das Materielle eine wichtige Voraussetzung für das Wohnen an einem ausgesuchten Ort setzt, so ist es in erster und letztlich ausschlagender Linie das Mentale, das entscheidend ist, und das uns wieder beruhigt in die Welt unserer pflegeleichten Etagenwohnungen oder überschaubaren Einfamilienhäuser zurückkehren lässt. Können ist eines, wollen das andere. Wohnen und Leben an einem solchen Ort ist ein Liebesbekenntnis, und wie schön und zugleich wie schwer die Liebe ist, das dürfte uns bewusst sein.

 

Der grosse und der kleine Hahnberg, Preziosen in der Schlosslandschaft

Das Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz, das ISOS, hat festgestellt, dass einer Perlenkette gleich eine ganze Reihe feiner Herrschaftssitze und kleiner Landschlösser das gesamte Bodenseeufer schmückt. Orte wie die das Schloss Grünenstein über Balgach, das Schloss Greifenstein in Thal eine ganze Serie weiterer Landsitze bis hin zum Zufluchtsort der Familie Louis Napoleon, dem legendären Schloss Arenenberg am Untersee, bilden in der Inventarisation den Sonderfall „Schlosslandschaft Bodensee“, dem in seiner Einmaligkeit nationale Bedeutung zukommt. Hier reihen sich alleine auf dem Gebiet der Gemeinde Berg aufs Schönste drei kleine Schlösser ein: Pfauenmoos, Grosser Hahnberg und Kleiner Hahnberg. Das Gemeinsame an Ihnen sind die Erbauer, die Familie Zollikofer, denen es möglich war, ausserhalb der Stadt St. Gallen Landgüter zu halten, die als Sommerresidenzen dienten. Wiederum besonders ist die Situation der beiden Hahnberg-Schlösser, dicht nebeneinander gedrängt, scheinen sie die Strasse von Berg nach Steinach beherrschen zu wollen, obschon sie nie eine fortifikatorische Bedeutung hatten. Der Kleinere ist älter, der Grössere also jünger, doch wurde er wiederum zum Vorbild für den Umbau des Kleinem.

 

In Kürze zusammengefasst datiert der Kleine Hahnberg aus dem frühen 16. Jahrhundert. Es ist ein Fachwerkbau. Als Folge einer Erbteilung des damaligen Guts zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Grosse Hahnberg erstellt. Er wurde 1626 als Massivbau errichtet. Dessen prägendes Element, der runde, südseitige Treppenturm wurde bald Anlass, den Kleinen Hahnberg, anlässlich einer Erweiterung ebenfalls mit einem Turm zu versehen. Dieser wurde dann im 18. Jh., als die Familie von Bayer-Pilier aus Rorschach Eigentümer waren, nochmals erhöht und mit einer Zwiebelhaube bekrönt. Während der Kleine Hahnberg ein Wechselspiel von Sichtfachwerk und späteren Überputzungen bis zur 1977 wieder freigelegten Fachwerkkonstruktion aufwies, präsentierte sich der Grosse Hahnberg seit seiner Erbauung immer in etwa derselben Art, vielleicht von den zeitweise entfernten Architekturmalereien abgesehen. Im Innern haben diese Bauten beide ebenfalls eine ganze Palette von Zeitspuren vorzuweisen, wobei im Kleinen Hahnberg heute der Barock — und dies mit einem aussergewöhnlichen Bestand an originalen Möbeln — überwiegt. Im Grossen Hahnberg sind nebst dem 17. und dem 18. Jh. auch die Spuren der späteren Besitzerfamilie Stoffel zu erkennen, welche das Schloss im frühen zwanzigsten Jahrhundert teilweise neu ausstatten liess.

 

Gemeinsamkeiten der geehrten Schlossbesitzer und Schlossbesitzerinnen

Der Gärtner sucht den Garten und entdeckt das Haus.
Der Architekt sucht das Gebaute und entdeckt den Garten.

 

Beide kamen von auswärts, waren jeweils durch ein Objekt angezogen, das zurzeit gerade niemand haben wollte. Es waren zwei Idealfälle. Und sie kamen zur rechten Zeit. Gerade noch zur rechten Zeit: Für den kleinen Hahnberg war es bezüglich Erhaltung fünf vor zwölf, als das Ehepaar Verena und Robert Bamert 1977 das verwahrloste Schloss übernahmen. Und es war ebenfalls eine Phase des drohenden Niedergangs, als der Grosse Hahnberg nach einer Zwischennutzung als Wohnheim und einem Dachstockbrand von der langjährigen Besitzerfamilie Stoffel veräussert wurde und sich ein idealer Interessent aus dem fernen Zürich meldete. Sowohl Architekt Robert Bamert, mit einem ausgesprochenen Verständnis für das Schloss und Garten, wie auch sein späterer Nachbar, Gärtnermeister Adolf Röösli voller Hingabe für die Baukultur des 17. und des 18. Jahrhunderts, bewiesen bereits mit dem ersten Schritt — dem alle Kräfte benötigenden Kauf dieser abenteuerlichen Bauten — dass sie Ihr Leben ihren Traumschlössern widmen würden.

 

Doch die beiden Schlösser waren von der Zeit, die auf uns gekommen ist, nicht immer gut zu trennen. Es gibt Dinge die gesteuert werden können, andere nicht. Sorgen bereitete die Situation des näheren Umfeldes, welches gerade für die Wirkung von Landschlössern wichtig ist. Für räumlich eher kleine Anlagen ist dieses noch zentraler. Nur dank dem besonderen Einsatz des Ehepaars Bamert, welches sogar das Bundesamt für Kultur zur Unterstützung gewinnen konnten, wurde die Autobahn im unmittelbaren Schlossbereich  teils unter Terrain geführt und mit Böschungen und Begrünungen kaschiert. Weniger erfolgreich liefen die unermüdlichen Versuche, die Entwicklung im nahen Gewerbegebiet von Roggwil und Arbon zu zügeln, wo sich nicht nur unschöne, sondern auch lärmige und den Ausblick der Schlösser sowie deren Anblick beeinträchtigende Bauten festsetzten. Hier galt es immer wieder in der Rolle des Behüters zu sein, eine Balance zu finden zwischen der eigenen Bemühung, für eine kulturellen Ort etwas beizutragen und dabei sehen zu müssen, wie die moderne Zeit aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen unbarmherzigen Situationen schafft.

 

Verdienste Robert und Verena Bamert

Der Familie Robert und Verena Bamert ist es zu verdanken, dass der Kleine Hahnberg in einer Zeit durch sie erworben wurde, in der Zerfallserscheinungen unübersehbar waren, und einen sehr grossen Renovationsbedarf erkennen liessen. Seit der noch vom unvergessenen Bernhard Anderes begleiteten Restaurierung von 1977 fanden immer wieder Reparaturen und Unterhaltsarbeiten statt, die allesamt als musterwürdig gelten. Der Kleine Hahnberg hat dabei das Glück gehabt, immer in seiner angestammten Funktion, einer schonenden, privaten Wohnnutzung beansprucht zu werden. Haus und Garten erfuhren eine besondere Wertschätzung, wobei sich sogar die durch den Strassenlärm bedingte Einfassung mit einer Gartenmauer, als eine dem Ort angemessene Lösung erweist. Im Baudenkmal gibt es kein Zurücklehnen, die Arbeit ist nie fertig. Als Abschluss der Renovationsarbeiten, nicht aber als Schlusspunkt für die auch weiterhin notwendige Pflege des Anwesens gilt die nochmalige Aussenrestaurierung aus dem Jahre 2003. Damals wurden die witterungsanfällige Fachwerk-Fassaden des Kleinen Hahnberg restauriert. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das noch nachgeholt, was in den 1977-er Jahren aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen war. Als kreativer Architekt, passionierter Musiker und begnadeter Handwerker hat Robert Bamert sich durch den Umbau des Pförtnerhauses kürzlich noch den Raum und die Stimmung schaffen können, die ihn für weitere berufliche Arbeiten beflügelt. Dies inmitten einer Garten- und Parkanlage, deren Mittelpunkt ein neu angelegter Gemüse- und Blumengarten ist, wie man sich ihn im Märchenbuch vorstellt: das Reich von Verena Bamert. Der Kleine Hahnberg hat über die letzten dreissig Jahre nicht nur eine Rettung erfahren, sondern eine Ausstrahlung gewonnen, die den Bundesschutz, dem es untersteht, vorbildlich Rechnung trägt.

 

Verdienst Adolf Röösli

Adolf Röösli zeichnet sein Mut aus, 1992, als das Zinsniveau besonders hoch war, ein Objekt zu kaufen, das zwar nicht baufällig war, aber dennoch verschiedene Verpflichtungen nach sich zog. Da war der Treppenturm zu restaurieren, der letztendlich mit seiner vorgefundenen Architekturmalerei auch eine Aussenrestaurierung des ganzen Schlosses bedingte, anlässlich der das Bauwerk wieder sein Aussehen des 17. Jahrhunderts zurück erhielt. Das gab es im Innern auch Interieurs und qualitätsvolle Stuckdecken, die in minutiöser Feinarbeit von unzähligen Farbschichten befreit werden mussten, was diese kostbaren Räume zu kostspieligen Räumen werden liess. Kaum waren die Arbeiten am Schloss fertig, stand eines der Nebenhäuser zum Verkauf, und es lag auf der Hand, dass dieses erworben werden musste weil Schloss und Pförtnerhaus eine Einheit sind. Nichts von Ausruhen und Schlossleben. Wiederum hiess es Mittel beschaffen, eine Renovation einzuleiten und dem kleinen Bauwerk eine angemessene Neunutzung zu sichern.

Der Erwerb des Grossen Hahnberg wurde aber auch zum Auftakt, den in den 1920er Jahren sehr schlicht gestalteten und seither verwahrlosten Garten in eine barocke Anlage zu verwandeln. Hierbei entstanden nebeneinander ein geometrisch gehaltenes Gartenparterre und eine frei geformte Teichlandschaft, ein Swimmingpool und ein Weiher. Dutzende von Rhododendren und Azaleen geben ihr Farbenspiel her und erfreuen die vielen Besucher. Der Grosse Hahnberg gilt übrigens auch Zufluchtsort verschiedener Kulturgüter, so einer über Jahre zusammengetragenen Möbelsammlung und einem eindrücklichen Bestand an alten Gartenpflanzen. Hinzu kommen das barocke Eingangsportal sowie eine 1769 für den Lindenhof in St. Gallen erstellte Stuckdecke der Gebrüder Moosbrugger, welche nach dem Abbruch jenes Landsitzes über Jahre eine Odyssee erfahren musste, bis sie im Grossen Hahnberg zu neuen Ehren kam. Der Preis zeichnet eine Einheit aus: den Ort der Hahnberg-Schlösser und ihre Eigentümer. Letztere sind Persönlichkeiten, die sich ganz dem Ziel verschrieben haben, das anzugehen, was viele andere Menschen vielleicht auch möchten. Sie tun das, wofür heute immer weniger jemand zu finden ist. Der Einsatz für diese Objekte und deren Öffnung für die Allgemeinheit ist ein klares Lebensbekenntnis zur Erhaltung und zur Vermittlung der Kulturzeugen.

 

Die Verleihung des Kulturpreises der Kulturstiftung St.Gallen ehrt die massgebenden Persönlichkeiten. Sie verankert aber auch kostbares Kulturgut im Bewusstsein der Öffentlichkeit und trägt — im Gartenjahr 2007 — den kollektiven Wünschen und Sehnsüchten nach Schlössern und Gärten – und sei es nur als Paradiesen auf Zeit – Rechnung. Ein Preis also, der allen zugute kommt.