St. Gallische Kulturstiftung

1990, Frühjahr

St.Galler Ostermaart,
Elsbeth Messmer

  • aus St.Gallen
  • Förderpreis über Fr. 5000.– für die Region St.Gallen
  • Sparte: Oster-Kunsthandwerk

Urkunde

Der „St. Galler Ostermaart“ unter der jahrelangen und pionierhaften Leitung von Frau Elsbeth Messmer setzt sich verdienstvoll ein, das österliche Brauchtum in seiner Überlieferung und seinem tiefen Sinn zu erhalten und zu pflegen. Dies geschieht durch das kunstvollschmückende Gestalten der Ostereier in der Gemeinschaft und durch begleitende thematische Ausstellungen zum österlichen Brauchtum. Die Sorge um diese Werte ist besonders zu würdigen in unserer technisierten Zeit, in der sich der Spielraum für eigenhändiges und gefühlvolles Gestalten verengt. Der Förderungspreis möge dem „St. Galler Ostermaart“ Ansporn zur Fortführung seiner Arbeit sein.

 

Laudatio

Im vergangenen Jahr 1989 musste der traditionelle „St. Galler Ostermaart“ wegen anderweitiger Besetzung des Historischen Museums ausfallen, doch war der vorherigen Folge mit 11 Märkten bis 1988 jährlich der grosse Erfolg beschieden. 30 bis 40 freivereinigte Künstlerinnen (auch „Eier-Frauen“ genannt) zusammen mit einigen Künstlern fanden sich für den Osterbrauch der kunstvollen Gestaltung der Ostereier im Historischen Museum zusammen. Sie stammen grossteils aus St.Gallen, daneben einige aus dem Appenzellischen und auch aus dem deutschen Bodenseeraum und weiter nördlich in unserem Nachbarland.

 

Die gestalterischen Anforderungen sind hochgestellt; wer mitmachen will, muss sich ausweisen oder einer Prüfung unterziehen. Der Eiermarkt ist begleitet von einer Ausstellung zu brauchtümlichen und kultischen Osterthematas. Volkskundliche Kenner sprechen zu den vielfältigen Osterbräuchen. Vor zwei Jahren wurden auch die  Absolventen der Schule für Gestaltung in St.Gallen zur Mitarbeit eingeladen.

 

Die jährlich gegen 4000 Besucher des Marktes beweisen das breite Interesse in der Öffentlichkeit. Aus dem Historischen Museum verlautet jeweils, der „Ostermaart“ sei für das Museum so etwas wie ein Jahresauftakt, und für die Wintermüden setze er in seiner fröhlich-farbigen Lebendigkeit allgemein ein Zeichen des Frühlings. Spiritus rector und Seele des „St. Galler Ostermaarts“ war von Anfang bis vor kurzem Frau Elsbeth Messmer (Zur Töpferscheibe“, St.Gallen) . 1987 erklärte sie ihren Wunsch, sich vom „Dotter“, wie die Eierleute ihren harten Kern nennen, etwas zurückzuziehen, bleibt aber weiterhin bei ihrer Mitarbeit. 1988 zeichnete dann auch ablösend Frau Sigrid Karlen verantwortlich.

 

Das Osterfest ist in der Tiefe der Zeit verwurzelt; der christlichen Deutung der Auferstehung gehen heidnische Riten voran. Vom Ostertermin sind andere kalendarische Daten abhängig. Das Fest steht bei uns in der Zeit des vegetativen Frühlingserwachens in der Natur, was bei manchem religiöse Besinnlichkeiten nebst allüberall frischen Lebenskräften auslöst. Ostern und Natur sind eng verknüpft, im Volksmund etwa mit der Bauernregel: „Ostern im März verheisst ein gutes Brotjahr“. Das Aufblühen der Natur signalisiert die Aussicht auf Fruchtbarkeit. Das Ei ist ein Symbol dieser Fruchtbarkeit; gleiches gilt für den Hasen im Tierreich. In der Sterndeutung gilt der Mond als Träger weiblicher Fruchtbarkeit, die er mit der Niedersendung des milden Taus auf die Erde in hellen Frühlingsnächten bezeugt. Neben dem Mann im Mond wird der Hase im Mond gesehen. Dazu die ‚Osterfrage‘, welche Eltern mussten nicht die Frage ihrer Kinder beantworten, warum gerade der Osterhase die Ostereier bringe. In den menschlichen Gesellschaften sind Eierspiele zur Tradition geworden, und Phantasie und Reichtum österlicher Ausstattungsgegenstände in Kirchen und Häusern waren herkömmlich unbegrenzt.

 

Die Bemühungen des „St. Galler Ostermaarts“ zur Bewahrung und Pflege dieses tiefsinnigen und liebenswürdigen Osterbrauchtums sind verdienstvoll. Den erhöhten Wert erhalten sie in unserer technisierten und damit an Gefühlen verarmenden Welt, wo konsumorganisatorische Gründe zu gefärbten Eiern aus den Regalen des Shopping-Centers über das ganze Jahr hin geführt haben.