St. Gallische Kulturstiftung

2008, Frühjahr

Sequenz, Magazin für sequenzielle Grafik

  • aus St.Gallen
  • Förderpreis über Fr. 15000.– für die Region St.Gallen
  • Sparte: Grafik, Kommjunikation, Animationsfilm, Illustration

Urkunde

Der Verein Sequenz erhält einen Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung für seine konsequente und Grenzen sprengende Förderung von Sequenzen in Grafik und Kommunikation. Den «Sequenzlern» ist es gelungen, quer durch die Generationen und Sparten Orte für Sequentielles zu eröffnen und das sequenzielle Selbstverständnis zu stärken. Comic, Trickfilme, Bildergeschichten, aber auch sequentielle Literatur, Kunst, Musik haben dank ihren anregenden Aktivitäten in Form von Veranstaltungen, dem Magazin «Sequenz» und dem Internet-Ausstellungsraum eine weit herum spür- und sichtbare Plattform bekommen.

 

Laudatio, von Ursula Badrutt, Stiftungsrätin

Wie, wenn nicht in Sequenzen, kann der Verein Sequenz gewürdigt werden. Die Sequenzler stehen im Alltag und damit nah am Leben. Was ist das Leben anderes als eine einzige Abfolge von Sequenzen. Jetzt, wo Preise teil ihres Alltags werden, wollen wir versuchen, auch die Lobrederei in ein paar kurze Folgen zu packen.

 

Bilder 1,2,3
Die ersten paar Bilder liegen etwas im Diffusen, sind aber in der Folge als Ort des Anfangs nicht unwesentlich. Da ist der St.Galler Buchladen Comedia und mit Pius Frey ein Comic- Begeisterter, ein Comic-Aktivist, der mit der Spezialisierung seit Jahrzehnten verschiedenen Generationen einen nahrhaften Boden bereitstellt – bis heute. Die Emanzipation von Lucky Luck, Asterix, Papa Moll, Titeuf und Co vom Unter-der-Bettdecke-Verstecken ins Lavel von „pädagogisch wertvoll“ gehört ebenfalls in diese Auftakt-Sequenzen. Genauso wie stundenlanges Scacciapensieri oder The Simpsons-Schauen. Und dass der Klosterlehrer Notker in karolingischer Zeit im Kloster St.Gallen zur Kunstform der Sequenz griff, um längere Tonfolgen sich besser zu merken, kann auch gleich noch angeführt werden, wenn es um den Humus geht, aus dem der Verein Sequenz aufgeblüht ist. Aber auch den Herrn Mäder und andere unmittelbare Vorläufer dürfen ruhig Pate stehen.

 

Bild 4
Eine junge Generation von Comic-Konsumenten verspürt in der Folge den Drang zu eigenen Taten, will nicht nur konsumieren, (das aber auch), sondern den eigenen Ideen Platz geben, will zeichnen, zeichnen, zeichnen, formen, sich mitteilen, sich gegenseitig Mut zum Eigenen machen, zum selber machen machen. Sie will den Trickfilm- und Comic- Experimenten gleichzeitig eine Plattform und ein Publikum bieten. Sie will — in den eigenen Worten — veröffentlichen, austauschen, glorifizieren.

 

Bild 5
In der Frohegg. Dort, wo bis zum Abbruch und zur Neugestaltung des Platzes ganz in Rot durch die Raiffeisen, Subkultur geschah, veranstalten ein paar junge Leute, die späteren Sequenzlern, einen ersten Trick- und Animationsfilm-Abend. Das war am 23. März 2002. Was in Bild 4, der Tatendrangszene, beschrieben ist, vermehrt, vervielfacht sich an diesem Abend. Fantasie, Animation und Projektor rauchten um die Wette mit dem Schlange stehenden Publikum. Wenige Tage später… In der Folge und um die sequenzielle Grafik gezielter zu fördern wird der Verein Sequenz gegründet. Damit sind wir schon bei…

 

Bild 6
Der Trickfilmabend fliesst in einen Verein und der wird zu einem immer grösseren Fluss. Darin schwadern so Sachen wie Trickfilme, Comics, Visuals — alles, was in Sequenzen funktioniert, was nicht Monolith ist, sondern eine Abfolge hat, ein Vorher und Nachher und ein Jetzt und das nicht einmal unbedingt in linearer Reihenfolge. Darin mit schwimmt auch die Lust, Arbeiten von den vielen Sequenz-aktiven Interessierten in einem Comic-Magazin eine weitere Öffentlichkeit zu geben.

 

Bild 7
Wenige Monate später… Ein Flyer wird gestreut im ganzen Kanton, 270 Eingaben kommen zurück. Daraus wählt die damals achtköpfige Redaktionsgruppe 80 verschiedene Arbeiten aus. Nicht einfach die 80 besten sollen es sein, sondern ein möglichst breites Spektrum an Stilen und Geschichten ist oberstes Kriterium. Mit dieser Offenheit wird klar und bis heute signalisiert, dass der Fluss noch breiter werden kann, so breit, dass alles Elitäre einfach weggespült, die Kategorie von Aussenseitigem haltlos wird. Sequenzieren was der Teufel hält. Dass diese Offenheit und Vielfalt nicht auf Kosten von Qualität geschehen muss, zeigt das Heft „Sequenz — Comic und andere Sequenzen aus dem Osten der Schweiz“ Seite für Seite. Aber auch die Heftvernissage. Damit sind wir bei

 

Bild 8  – nachher schalten wir dann etwas höher im Tempo!
Vernissage ist im Cargo Domizil im Januar 2003 im damals erstmals kulturell genutzten Güterbahnhof St.Gallen, dem heutigen Kugl. Dort wird eine Sequenz- Landschaft eingerichtet zum Herumschlendern und Verweilen, wo auch musikalisch-elektronische und natürlich auch filmische Abfolgen nicht fehlen. Dort ist nicht nur das hausgemachte Publikum anzutreffen, sondern viele, viele viele Zugewandte und sich weiter und neu sich Zuwendende. Altersmässig in einer Breite von — auf- und abgerundet – Jugend bis Urgrosseltern. Damals wurde auch die Internetplattform www.sequenz.net eingeweiht, wo nicht zuletzt auch jene Beiträge untergebracht werden, die im ersten Heft keinen Platz gefunden haben. Hier können jederzeit vergangene Anlässe, Webanimationen, Bildergeschichten, Cartoons und was weiss ich gesichtet werden.

Bild 9
Es kommt zu weiteren Trickfilmabenden. Nicht selten sind es die ersten Gehversuche von Trickfilmerinnen und Trickfilmern und anderer Sequenzlern in der Öffentlichkeit. An immer neuen Orten, vor dem Klosterhof, am Stadtfest, in der offenen Kirche St.Leonhard, in Basel, im Kulturcinäma Arbon, im Kino Rosenthal Heiden, im Innenhof des Historischen Museums in St.Gallen. „Das sind auch einfach Geschenke, die wir uns hin und wider gönnen“, formuliert es Sascha Tittmann. Hier zeigt sich ein wesentliches Erfolgsrezept: Die eigene Freude am Tun.

 

Bild 10
Unterdessen sind auch ein zweites, ein drittes, ein viertes Sequenz-Magazin erschienen. Das eine zum Thema „Angst und Phobien“, ein nächstes unter dem Titel „Pädagogisch nun doch wertlos“. Darin lassen sich auch zeitspezifische Stimmungen orten. Jüngste Mitarbeiterin ist im letzten Heft in Taschenbuchformat ein siebenjähriges Mädchen. Die Sequenzler denken alterslos. An einer fünften Ausgabe wird diesen Sommer durch gearbeitet. Die Eingabefrist ist Ende Mai abgelaufen, die Motivation lief auf vollen Touren und die Ernte zeigt, dass die Szene weiter wächst, qualitativ und quantitativ, realistisch und fantastisch. Wichtig bleibt, die regionale Plattform möglichst breit zu halten.

 

Bild 11
Es geht weiter. Zur inneren Sequenzfamilie, zum Vereinsvorstand, gehören zur Zeit (in alphabetischer Reihenfolge) Michael Ebneter, Rolf Fleischmann Anna Furer, Jonas Furer, Simon Oberli, Sascha Tittmann, der Präsident.

 

Die Sequenzler legen weiter keinen Wert auf grosse Namen und keinen Wert auf hundert Mal gesehen. Sie animieren. Sie fördern. Sie fördern Unbekanntes, Experimentelles, Ausgefallenes. Und in ihren eigenen Worten: „Wir fördern schüchterne Naturtalente, grössenwahnsinnige Anfänger, die Ostschweiz. Wir haben den Glauben nicht verloren, dass wir hier was mehr auf Lager haben — ausser Schützengarten“.

Da sagen wir nur noch Prosit — möge es nützen!
Und danke!

https://sequenz.net