Die Vielseitigkeit des Organisten, Pianisten, Chorleiters und Musikpädagogen Rudolf Lutz ist schlicht beeindruckend. Der in St.Gallen lebende und tätige Musiker deckt mit seiner musikalischen Tätigkeit schweizweit ein Feld ab, das sich von St.Gallen über Zürich nach Basel erstreckt. Neben seiner Organistenstelle in St.Laurenzen profiliert sich Rudolf Lutz als exzellenter Interpret, als inspirativer Begleiter und als begnadeter Improvisator am Klavier.
Als Leiter des «Bach-Chors St.Gallen» und des «St.Galler Kammerchors» brachte er die beiden Klangkörper auf ein beachtlich hohes Niveau. Ihre Aufführungen gehören regelmässig zu den Höhepunkten des St.Galler Konzertlebens. Mit seiner Lehrtätigkeit an der Schola Cantorum Basilensis und an der Musikhochschule in Zürich gibt Rudolf Lutz seine musiktheoretische Kompetenz weiter. Daneben ist er sich nicht zu schade, beim «Singen für Ältere», das er ins Leben gerufen und jahrelang betreut hat, Menschen durch gemeinsames Musizieren zu beglücken. Grosse Ehre, aber auch grosse Verantwortung bedeutet für ihn die gross angelegte Konzertreihe, die ihm vom Bankier und Mäzen Konrad Hummler in die Hände gelegt wurde: Das gesamte Vokalwerk von J.S.Bach in einem auf ein Vierteljahrhundert angelegten Zyklus zur Aufführung zu bringen.
Die St.Gallische Kulturstiftung verleiht Rudolf Lutz den Jahrespreis 2006 in Anerkennung seiner äusserst vielseitigen und kompetenten musikalischen Tätigkeit und verbindet damit nicht nur ihren grossen Dank, sondern auch die Hoffnung auf dessen Fortsetzung und das Gelingen des Bach-Zyklus, damit die ansteckende Musizierlust und Freude weiterhin überspringt auf immer mehr Liebhaber und Freunde der Musik.
Will man sich der Künstlerpersönlichkeit von Rudolf Lutz annähern und dazu einmal die Mosaiksteine all seiner Tätigkeiten zusammentragen – für die er schliesslich heute als einer der Kulturpreisträger des St.Gallischen Kulturstiftung geehrt und ausgezeichnet wird – stösst man als Laudator zunächst auf eine Schwierigkeit: Womit soll man denn beginnen ? Und mit dieser Fragestellung hat man sich der Person Rudolf Lutz denn auch schon ein gutes Stück weit angenähert: Ist es doch gerade diese fast irritierende Vielseitigkeit, die das Wesen dieses Musikers ausmacht! Ich versuche es diesmal chronologisch – da ich doch immerhin seit der Zeit seiner Ausbildung zum Primarlehrer seine Wege aus der relativen Nähe des gemeinsamen Wohnortes und auch gemeinsam verwandter Tätigkeiten als Musiker in dieser Stadt mitverfolgen konnte.
Da ist zunächst der Organist und Pianist Rudolf Lutz. Nach seiner Ausbildung als Organist und Pianist übernahm er sehr bald – und sehr jung! – die Organistenstelle an der St.Laurenzenkirche in St.Gallen (die er heute noch innehat) und profilierte sich schnell als exzellenter Interpret, als äusserst beweglicher und inspirativer Begleiter – und als begnadeter Improvisator. Bald schon weitete sich die Organistentätigkeit zu einer eigentlichen Kantorentätigkeit mit zusätzlichen Aufgaben aus.
Als Pianist erwarb er sich rasch den besonderen Ruf eines sehr sensiblen und agilen Begleiters – und auch hier als glänzender, über alle Stilarten hinweg souverän versierter Improvisator! Seine ansteckende Musizierfreude und Musizierlust springt über – und weckt immer wieder in den Menschen Begeisterung und Mut, sich von dieser Freude und Lust selber anstecken zu lassen. Was für eine unschätzbare Lebenshilfe bedeutet doch das Singen für Ältere, das in ungebrochener Folge über Jahre hinweg Menschen der Stadt St.Gallen beim gemeinsamen Musizieren beglückte!
Seit Rudolf Lutz 1986 die Leitung des Bach-Chors St.Gallen in der Nachfolge von Andreas Juon übertragen wurde – und seit er noch ein Jahr zuvor das St.Galler Kammerensemble als Leiter übernahm, begann eine eigentliche Ära des Dirigenten Lutz. Seine diesbezüglichen Tätigkeiten bescherte beiden Klangkörpern sehr bald eine markante Entwicklung. Die Konzerte des Bach – Chores mit der ganzen Oratorienliteratur sind regelmässige Höhepunkte des St.Galler Konzertlebens. Mit dem Kammerensemble schuf sich Lutz ein heute professionell agierendes Orchester, welches sich auch die historische Spielpraxis – mitsamt historisch gebauten Instrumenten – angeeignet hat. Das hohe technische und musikalische Niveau, das die von Lutz betreuten Klangkörper auszeichnet, ist das direkte Ergebnis einer anforderungsreichen, zähen und zielstrebigen Probenarbeit aus dem reichen Wissen und Können eines unnachgiebig fordernden Dirigenten, der sich immer höchster musikalischer Verantwortung verpflichtet fühlt.
Die profunden Kenntnisse historischer Musikpraxis führten in der Folge auch zu einer ausgedehnten und breitgefächerten Lehrtätigkeit. An der Schola Cantorum Basilensis unterrichtet Rudolf Lutz historische Improvisation und an der Musikhochschule Zürich sind es Generalbass, Partiturspiel und Oratorienkunde. Diese Lehrtätigkeit angemessen zu würdigen und gelegentlich mit einer Auszeichnung zu honorieren, möchte ich aber den Kulturabteilungen dieser beiden Kantone überlassen.
Der begnadete Improvisator und Improvisationslehrer vermag mit seiner Kunst der spontanen Erfindung in Konzerten und Workshops, dann aber auch gerne in gelöster Runde oder eben einfach ‚bei jeder sich bietenden Gelegenheit‘ immer wieder zu begeistern. Vielleicht muss man in diesem Zusammenhang doch auch seine Liebschaften mit der leichten Muse erwähnen: Ob Jazz, ob Volksmusik oder Salonmusik, leicht und spontan liegen dem Improvisator auch diese Töne in den Fingern.
Ganz in der Nähe zum Improvisator Lutz befindet sich denn auch der Komponist Lutz. Immer wieder mal greift er auch zur Feder und schreibt Musik. Den zwei bekannten und populären Bearbeitungen von Bachs berühmter Chaconne in d-moll von Ferruccio Busoni und von Johannes Brahms beispielsweise hat Lutz eine dritte -moderne- Alternative beigesellt. Im Weitern stehen auch mehrere Kompositionen, die für seine Ensembles – eben Bach-Chor und Kammerensemble -, entstanden sind, auf seiner Werkliste; unter anderen auch ein eigenwilliges Weihnachtsoratorium, An English Christmas, aus dem Jahre 2002.
In neuerer Zeit gehören auch konzeptionelle Arbeiten für besondere und aussergewöhnliche Konzertprogramme zu den Tätigkeiten von Rudolf Lutz. In St.Gallen sind es etwa die von der St.Galler Bank Wegelin regelmässig veranstalteten und gestifteten Konzertreihen mit neuen, hochkarätigen Programmkonzepten. Und eben allerneuestens ist es ein geradezu gigantisches Unterfangen, das dem Musiker Rudolf Lutz vom Bankier und Mäzen Konrad Hummler in die Hände gelegt wurde: Das gesamte Vokalwerk J. S. Bachs in einem auf ein langes Vierteljahrhundert angelegten Zyklus zur Aufführung zu bringen.
Für eine aussergewöhnliche, vielschichtige und wirkungsreiche Musikertätigkeit in St.Gallen – die noch mindestens 25 Jahre vor sich hat! – ist Rudolf Lutz der Jahrespreis 2006 der St.Gallischen Kulturstiftung zugedacht.
http://rudolflutz.ch