Die St. Gallische Kulturstiftung anerkennt die großen Verdienste, die sich Reto Zingg durch sein jahrzehntelanges, beispielhaftes Wirken zum Schutz von Natur und Landschaft weit über die engere Heimat des Toggenburgs hinaus, insbesondere im Rheintal erworben hat. Seinem unermüdlichen Einsatz, erwachsen aus der Liebe und der Ehrfurcht vor der Schöpfung, gepaart mit großer Sachkenntnis, mit mutigem Eifer und freundlicher Beharrlichkeit verdanken eine Reihe von kleineren und größeren naturnahen Lebensräumen Entstehen und Fortbestand. Fachkompetenz und Überzeugungskraft haben in vielen zähen Verhandlungen den Anliegen von Natur- und Landschaftsschutz und der bedrängten und bedrohten Lebewelt zum Durchbruch verholfen.
Sehr verehrte Damen und Herren !
Im Frühling dieses Jahres hat die St. Gallische Kulturstiftung im Rheintal einem engagierten Naturschutzpionier für besondere Leistungen einen Preis zugesprochen. Jetzt, im Herbst, ist sie zu Gast im Toggenburg und ehrt einen nicht minder einsatzfreudigen Vorkämpfer für die Erhaltung natürlicher Vielfalt von Pflanzen und Tieren und für die Wiederbelebung der vom Unverstand ausgeräumten und von der modernen, mobilen Freizeitgesellschaft bedrängten, bedrohten und beeinträchtigten Landschaft.
Vor langer Zeit ist ausgesät worden, was nun so reichlich Frucht trägt, in früher Jugend angelegt, was so reichlich Zinsen bringt. Tiere und Pflanzen haben es Reto Zingg schon immer angetan, und alt ist der Bubentraum von einem paradiesischen Gewässer im Garten. Er hat diesen Traum nicht nur einmal verwirklicht. Weit über zwanzig kleinere und grössere Weiher – vom einfachen Brunnentrog bis zum stattlichen Baggersee – sind dank seines zielstrebigen Handelns und Verhandelns zu schützenden und geschützten Lebensräumen geworden.
Wer immer sich einer Sache so mit Leib und Seele verschreibt, wer seine Kräfte so auf ein Ziel ausrichtet, wie Reto Zingg es tut, der ist auf Verständnis seiner Umgebung angewiesen. Das hat er schon als Schulbub erfahren. Nicht nur seine Mutter, die sich heute mit ihm freut, auch die Lehrer waren wegen seiner häufigen, oft unzeitigen Ausflüge in Feld und Wald, an Bäche und Weiher gefordert und der darob vergessenen Aufgaben halber zur Geduld vermahnt. Aber sie haben Reto Zingg auch gefördert, und dankbar erinnert er sich an seine verständnisvollen Lehrer Albert Saxer, Julius Heule und Ernst Kopp, sowie an den Ameisenapotheker Dr. Heinrich Kutter. Jeder von ihnen hat ihm auf eigene Weise, Hilfestellung geleistet.
Die Flawiler Natur- und Vogelschutzpioniere Arthur Lehner, Ernst Lengggenhager und Gustav Bänziger haben ihn in seinen Jugendjahren zum Nacheifern angespornt, seiner Liebe zur Natur Nahrung verschafft und seinem Tatendrang Kraft verliehen. Mit Erfolg! Hat er doch mit Schulkameraden im Klosterwald von Magdenau ein eigenes Nistkastenrevier begründet und vor eifriger Begeisterung gar vergessen, beim Förster um Erlaubnis nachzusuchen. Und hat er doch schon als Halbwüchsiger mit einem guten Freund zusammen im Jomerbachtal eine dreieinhalb Hektar grosse Moor-, Busch- und Streuefläche gepachtet, um sie als Lebensraum zu erhalten. Ohne die unabdingbare Unterschrift der verständnisbereiten Mutter wäre es freilich beim Traum geblieben.
Wenn Reto Zingg heute aus fundiertem Wissen um die grossen Zusammenhänge aufzeigt, dass einzelne Feuchtgebiete, Tümpel und Weiher erst durch Vernetzung ihrer Aufgabe als Lebensräume zu genügen vermögen, und dabei von „Trittsteinen“ der Natur und des Lebens spricht, so spiegelt sich darin die Erfahrung, dass ihm selber „Trittsteine“ Lebensraum geöffnet und erweitert haben. Machte ihn der Grossvater mit der Berglandschaft des Alpsteins vertraut, so erlaubten ihm zwei „verwandtschaftliche Trittsteine“ im Rheintal eine geographische und menschliche Horizonterweiterung:
Da war seine Patin im Werdenbergischen und da war seine Grosstante in Heerbrugg. Wen wundert es da, dass eine beachtliche Zahl seiner Projekte im Rheintal zu finden sind? Der Storchenhof ist nicht das einzige und nicht das grösste, aber wohl für viele junge und alte Freunde von Adebar eines der schönsten. Sicher ist es ein beispielhaftes Unternehmen. Es spricht für die Haltung und die Arbeitsweise von Reto Zingg, welcher Naturschutz nicht als etwas Statisches, in Art und Umfang ein für allemal Festgelegtes betrachtet, sondern als etwas Dynamisches, etwas Wandelbares und Entwicklungsfähiges. Er weiss, dass seine Lebensraumprojekte in der auf Produktion ausgerichteten Kulturlandschaft nur gelingen, wenn die Bauern für sinnvolle Massnahmen und Unterlassungen gewonnen werden. Ohne seine Fachkompetenz, sein offenes umgängliches Wesen und die Bereitschaft zu verantwortbaren Kompromissen in den meist zähen und schwierigen Verhandlungen, bliebe wohl vieles schon in den ersten Anfängen stecken und vermöchte nicht zum Lebensraum auszuwachsen.
Solide Sachkenntnis ist auch Voraussetzung für die reiche publizistische Tätigkeit des unermüdlichen Anwalts der bedrängten und bedrohten Tier und Pflanzenwelt. In verschiedenen, hervorragenden Publikationen, zum Beispiel in den Arbeitsheften für den Unterricht an der Oberstufe, führt Reto Zingg seinen Kampf auf nachhaltige und eindrückliche Weise über den Schreibtisch und das Lehrerpult weiter. Er wendet sich in erster Linie an die Jugend. Der passionierte Sekundarlehrer versteht es, sie hinzuführen an die Probleme unserer Zeit, aber er lässt sie dort nicht ohne Antwort und ohne Hoffnung stehen. Er macht anschaulich klar, dass Naturschutz weit mehr ist und sein muss, als zu verhindern, dass gedankenlose Wanderer Blumen ab- und ausreissen, weit mehr ist, als der Nachwelt seltene, vom Aussterben bedrohte Tiere in Käfigen und Tiergärten zu erhalten.
Der Anerkennungspreis schliesst auch die solide, sorgfältige und weit herum geschätzte Arbeit in öffentlichen Gremien, etwa in Planungskommissionen ein oder diejenige des sachverständigen Experten bei der Beurteilung von raumrelevanten Planungsvorhaben. Es ist angemessen, Reto Zingg die Auszeichnung für seine besondere Leistung hier in Oberglatt, am heimatlichen Wasser, zuzusprechen. Wieder einmal ist er am Ort seiner Jugend tätig, wo sein ernsthafter, doch fröhlicher und zuversichtlicher Kreuzzug gegen die Unvernunft seinen Anfang genommen hat. Die St.Gallische Kulturstiftung würdigt den ausserordentlichen, kompetenten und konsequenten Einsatz für die Anliegen des Naturschutzes und verleiht Herrn Reto Zingg in Anerkennung seines beispielhaften Wirkens einen Preis. Dieser ist mit 5’000 Franken dotiert.