Seit über zwei Jahrzehnten stellt Prof. Dr. Karl Heinz Burmeister einen guten Teil seiner eindrücklichen Schaffenskraft in den Dienst der Allgemeinheit. Liebe zur Geschichte und Freude an der Überlieferung haben den Direktor des Vorarlberger Landesarchivs in Bregenz, dem von Berufes wegen das Sammeln, Ordnen und Erschließen von Dokumenten obliegt, zu zahlreichen Forschungen und Veröffentlichungen bewogen. Hunderte von Einzelwerken und Beiträge in Büchern und Zeitschriften, die sich durch eine hohe und doch verständliche Sprachkunst auszeichnen, lassen Ereignisse und Schicksale aus alten Belegen und deutungsbedürftigen Dokumenten lebendig werden und wecken Verständnis für die Vergangenheit und machen diese dem heutigen Menschen anschaulich. Viele seiner Arbeiten als Wissenschaftler und Hochschullehrer berühren den Bodenseeraum als Ganzes oder Teile davon, leisten somit auch einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Geschichte von Kloster, Stadt und Kanton St.Gallen. Die St.Gallische Kulturstiftung würdigt das Engagement für die grenzüberschreitenden geschichtlichen und kulturellen Beziehungen mit einem Anerkennungspreis.
Sehr verehrte Damen und Herren !
Die St. Gallische Kulturstiftung wendet sich heute einer ausgewählten kleinen Gruppe von Berufsleuten zu, deren Tun und Lassen von der breiten Öffentlichkeit in der Regel kaum wahrgenommen wird, auch wenn ihnen eine bedeutsame und höchst interessante Aufgabe übertragen ist. Sie sind nicht nur dem gleichen bedeutsamen Kulturraum zugehörig, sie gleichen sich auch in ihren Zielsetzungen und in ihrer Schaffenskraft. Das berufliche Pflichtenheft schreibt ihnen vor, gleichzeitig Jäger und Sammler zu sein. Sie haben der Jagd nach schriftlichen Zeugnissen und Dokumenten zu obliegen, sie haben zu sammeln, was im begrenzten Raum des Hoheits- und Interessengebietes ihres Auftraggebers über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg von Menschen berichtet, aufgeschrieben, protokolliert worden ist, über sich selbst, über andere, über die Wechselfälle des Lebens, über Denkwürdiges und Merkwürdiges.
Würden sie sich darauf beschränken, den Bestand ihrer Jagdbeute zu erhalten, diese vor Beschädigung und Zerstörung sicher aufzubewahren und Verluste zu vermeiden, würden sie sich darauf beschränken ihr Sammelergebnis fein säuberlich zu ordnen, es nach sorgfältig und klug ausgewählten Kriterien zu klassieren und jederzeit für den Fall eines Rückgriffs bereitzuhalten, ihr pflichtgemässes Tun verdiente uneingeschränkt lobende Anerkennung. Freilich hätten sie solches Lob zu teilen mit einer Reihe von Berufskollegen diesseits und jenseits des grossen trennenden und verbindenden Wassers, mit Kollegen, die ihnen an Eifer und Sorgfalt nicht nachstehen. Und das nicht nur im Bodenseeraum, wo sich die meisten von ihnen zu ernsthafter Arbeit wie zu heiterer Geselligkeit regelmässig begegnen, sei es im Geschichtsverein, im Verein der Bodenseearchivare oder in der Archivdirektorenkonferenz der ARGE ALP. Wer sind denn nun die Männer, deren Leben und Obliegenheiten uns heute beschäftigen, und aus welchem Anlass wird ihnen jetzt und hier besondere Anerkennung und Würdigung zuteil ?
Die Herren Doctores Karl Heinz Burmeister, Helmut Maurer und Ernst Ziegler, die Aufzählung folgt dem Alphabet, der Chronologie und der Höflichkeit, welche ausländischen Gästen den Vortritt lässt, alle drei sind sie kurz vor dem zweiten Weltkrieg geboren, und alle drei haben sie Geschichte studiert. Karl Heinz Burmeister hat seine Studien an der Universität Mainz mit einer Dissertation über den Humanisten Sebastian Münster abgeschlossen. Ein Jahr später folgte ein Rechtsstudium an den Universitäten von Köln, Genf, Wien und Innsbruck, und mit der Dissertation über „Die Vorarlberger Landesbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung“ erwarb er sich an der Universität Tübingen 1969 einen zweiten Doktorhut. Seit 1967 ist Dr. Burmeister im Archivdienst des Landes Vorarlberg tätig, seit 1975 Direktor des Vorarlberger Landesarchivs. Vor 10 Jahren ist er zum Hofrat ernannt worden. Das unterstreicht das verdienstvolle Wirken des Gelehrten, in dessen reichhaltigem Werk sich Weltgeschichte und Landesgeschichte in ausserordentlich fruchtbarer Weise ergänzen. Seit über 20 Jahren ist Professor Burmeister auch Dozent mit Lehraufträgen an den Universitäten Zürich und Innsbruck. Seine wissenschaftlichen Arbeiten gehen in die Hunderte. Die bedeutendsten befassen sich mit Themen und Ereignissen aus der Geschichte des Landes Vorarlberg und mit dem Bodenseeraum. Sie lesen sich leicht und bieten doch eine Fülle von Quellenangaben und Hinweisen, die nicht nur dem wissenschaftlich Interessierten nützlich sind. Sein grenzüberschreitendes Engagement leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Geschichte von Kloster, Stadt und Kanton St. Gallen.
Für Helmut Maurer war der Weg ins Archiv gewissermassen eine Selbstverständlichkeit. Sein Berufswunsch hat sich geradlinig erfüllt. Nach dem begann er an der Universität Freiburg im Breisgau ein Studium. Neben geschichtlichen Fächern gehörten dazu auch Geographie, Soziologie, Politikwissenschaft, Germanistik und Romanistik. 1963 folgte das Doktorat mit der Dissertation über „Die Herren von Krenkingen und das Land zwischen Schwarzwald und Randen“, und schon 1964 der Eintritt in den baden-würtembergischen Archivdienst in Stuttgart. 1966 wurde Professor Maurer Leiter des Stadtarchivs Konstanz. Seine Tätigkeit als Forscher und wissenschaftlicher Lehrer ist vorzugsweise auf Konstanz und den Bodenseeraum ausgerichtet. Er ist Mitglied des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte und des „Vereins für Geschichte des Bodensees“. Diesem Verein ist er lange Jahre vorgestanden. 1979 hat er das Präsidium seinem Amtskollegen in St. Gallen weitergegeben. 1981 wurde Helmut Maurer Honorarprofessor der Universität Konstanz. Dort lehrt er seither Mittelalterliche Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Landesgeschichte und der historischen Hilfswissenschaften. Viele seiner Publikationen, in denen der Wissenschafter und Hochschullehrer stets auch die Sprache seiner Leserschaft bedenkt, gelten der Begegnung von Schweizern und Schwaben im wechselvollen Lauf der Zeiten, berühren auch Gebiete, Geschichte und kulturelle Beziehungen der ehemaligen Fürstabtei und der Stadt St. Gallen.
Von dort stammt Ernst Ziegler, der Dritte im freundschaftlichen Bund. Nach der Ausbildung zum Primarlehrer im nahe gelegenen Seminar Mariaberg studierte er an der Universität Basel Geschichte, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. 1974 doktorierte er mit der Dissertation „Jacob Burckhardts Vorlesung über die Geschichte des Revolutionszeitalters“. Am Staatsarchiv Basel-Stadt und an den Archives nationales in Paris hat er das Rüstzeug zum Archivar geholt. Seit 1971 hat er reichlich Gelegenheit, seine Fachkenntnisse unter Beweis zu stellen. Bald 25 Jahre lang schon betreut er nämlich als Stadtarchivar das alte Archiv, hütet also vorzugsweise die Schriften, Bücher und Dokumente, die vor 1830 entstanden sind. Im Nebenamt ist er Präsident der Betriebskommission für die Stiftung St.Galler Museen. Von 1979 bis 1987 war er Präsident des Vereins für Geschichte des Bodensees. Als Forscher und wissenschaftlicher Lehrer erfüllt er verschiedene Lehraufträge: für Paläographie, an der Universität Konstanz, für Stadt und Rechtsgeschichte in Zürich, für Geschichte der Stadt St. Gallen an deren Hochschule auf dem Rosenberg. Seine Publikationen gelten den verschiedensten Themen der Stadt St.Galler Geschichte, der Kunst, der Wirtschaft und der Kultur. Sie betreffen alte Ansichten, Häuser, Quartiere und Einrichtungen. Zu „Kostbarkeiten aus dem Stadtarchiv in Text und Bildern“ gesellen sich Schriften über Apotheken und Apotheker im Bodenseeraum, Bücher über „Tabacktrinkher und Comoedianten im alten St.Gallen“, Schriften zu Kunst und Kultur um den Bodensee. Die Schaffenskraft von Dr. Ernst Ziegler ist gross, sein Horizont weit, sein Witz sprichwörtlich. Wie seine beiden Freunde in Bregenz und Konstanz beherrscht er die Kunst, geschichtliche Erkenntnisse bei wissenschaftlicher Gründlichkeit und Genauigkeit so darzustellen, dass sie auch von einem Grossteil der Bevölkerung ohne spezielle Kenntnisse gerne gelesen und verstanden werden. Der Mensch der Gegenwart ist nur dann in der Lage, Vorgänge zu deuten, Entwicklungen zu verstehen, Erscheinungen zu begreifen und seine Situation zu erkennen, wenn er Antwort auf die Frage bekommt: Wie und was war denn früher, und warum war es so? Noch immer gilt, was Faust zu Wagner sagt: ‚Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.“
Wenn wir uns von vergangenen Dingen eine rechte Vorstellung machen wollen, so haben wir die Zeit und die Umstände zu bedenken, in welcher etwas geschehen ist. Unser Dreimännerbund ist schon lange mit grosser Hingabe, mit gutem Gespür für das Wesentliche am Werk, diese Siegel aufzubrechenden Staub der Zeiten von den Aktendeckeln zu blasen, Buchdeckel zu öffnen und Zugang zu schaffen zu Zeugnissen und Erkenntnissen früherer Tage und Zeiten. Das Erschliessen einzelner Dokumente, das Entziffern alter Schriftzeichen, das Übersetzen altertümlicher, unverständlicher Ausdrucksweisen und die leicht fassliche Darstellung von räumlichen und zeitlichen Bezügen stellt eine bedeutsame Leistung dar. Die St. Gallische Kulturstiftung würdigt das Unternehmen, mit der Vermittlung von Wissen um die geschichtlichen Zusammenhänge unser Herkommen sichtbar und fassbar zu machen, und verleiht den Herren Dr. Karl Heinz Burmeister, Bregenz, Dr. Helmut Maurer, Konstanz, und Dr. Ernst Ziegler, St. Gallen, für ihr unermüdliches Wirken einen Anerkennungspreis.