St. Gallische Kulturstiftung

2000, Frühjahr

Peter Weber

  • aus Zürich
  • Förderpreis über Fr. 5000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Schriftsteller

Urkunde

Peter Weber erhält den Förderpreis der st.gallischen Kulturstiftung für sein literarisches Schaffen, insbesondere für die beiden Romane „Wettermacher“ und „Silber und Salbader“, in denen er Landschaften und Lebensräume äusserst phantasievoll in Sprachräumen verwandelt, die den Leser mit allen Sinnen packen.

 

Laudatio Elisabeth Keller-Schweizer, Stiftungsratspräsidentin

Ich freue mich, den Schriftsteller Peter Weber unter uns begrüssen zu dürfen. Von ihm ist im vergangenen September der langerwartete zweite Roman „Silber und Salbader“ herausgekommen. Mit seinem Erstling „Wettermacher“ hat der damals 25-Jährige Furore gemacht, einen literarischen Wurf gelandet, beste Kritiken in in- und ausländischen Medien bekommen, 1994 schon den Bremer Literaturpreis entgegennehmen können: kurz, einen fulminaten Start in die literarische Welt hingelegt. Hinken wir mit unserer Ehrung im Jahr 2000 hinterher? Diese Frage müssen wir uns zumindest rhetorisch stellen. Gilt der Prophet im eigenen Land wieder einmal wenig? Ich denke nicht.

 

Peter Weber hatte mit seinem ersten Roman das grosse Glück, beim renomierten Suhrkamp Verlag unter zu kommen. Damit standen ihm die Türen für sein literarisches Debüt schon weit offen und die Sterne am Literaturhimmel günstig. Grenzen waren damit schon von Anfang an überwunden. Peter Weber hat das lesende Publikum in der Schweiz von Deutschland her erobert, und wie ich meine, im Sturm. Aber alle äusseren Voraussetzungen und seien sie noch so günstig, nützen nichts, wenn die literarische Qualität nicht stimmt. Ich erinnere mich noch gut an das Glücksgefühl – ja ich möchte es einmal so nennen – , das ich beim Lesen des „Wettermacher“ damals empfand. Ich war begeistert und bin es heute nicht weniger, von der Intensität, mit der Peter Weber das Toggenburg, aus dem er stammt, als Landschaft, als Sprachraum, als Lebensraum literarisch aufleben lässt. Erdgeschichte, bäuerliche Vergangenheit, Industriegeschichte und Familiengeschichte alles ist phantasievoll miteinander verwoben aus der Perspektive des Erzählers, der aus dem engen Tal auszog nach Zürich – wie weiland Ulrich Bräker, und an seinem 20. Geburtstag den Entschluss fasst, in den Keller zu ziehen und einen Roman zu schreiben. Peter Weber webt aus den bereits erwähnten Fäden ein sprachliches Gewebe -nomen est omen – das in der Form des Künstlerromans Gegenwart und Vergangenheit kunstvoll miteinander verquickt.

 

Wettermachen, zum Beispiel, braucht er als Sinnbild für Sprache schaffen, die einmal wie ein Gewitter daherdonnert, als Nebel sich ausbreitet, als Flut über die Dämme bricht oder sich als Regen ruhig ausbreitet. Sprachfluss und -rhythmus wechseln und sind den unterschiedlichen Situationen angepasst. Immer aber geht es um die Sinne, um Sinnlichkeit und ihre Verwandlung in Sprache. Sechs Jahre hat sich Peter Weber Zeit gelassen für seinen zweiten Roman. Er hat sich vom Markt nicht drängen lassen, denn ein Roman brauche, nach seinen eigenen Worten, mindestens drei Jahre bis eine eigene Topografie, eine eigene Welt und eine eigene Sprache entsteht. Wer „Silber und Salbader“ schon gelesen hat, ahnt, weshalb Peter Weber doppelt so lang gebraucht hat. Wie ein Forscher steigt er, analog seiner Romanfigur Silber, in die tiefsten Schichten der Erde, spürt dem Wasser nach und deckt Schicht um Schicht der Heilsgeschichte des Wassers auf. Der Roman spielt vordergründig in einem Bäderhotel in Baden, weitet sich stetig aus über das Limmattal zum erfundenen Raschtal, hinter dem wir wiederum seine ostschweizer Wurzeln, das Toggenburg, erahnen. Als Leser geraten wir unmerklich in den Sog des Wassers und parallel dazu in denjenigen von Webers musikalischer Sprache. Die Spachmelodien und Tempi wechseln, lyrische Teile werden von prosaischen abgelöst und gipfeln in dramatischen. Peter Weber komponiert seine Bücher wie ein Musiker. Wie die Musik überhaupt eine tragende Rolle spielt in diesem Roman. Die Bäderszene wird überlagert oder unterwandert, wie man das sehen will, von der Musikszene. Alles kann sich in Musik verwandeln, Erdtöne, Verkehrstöne, Menschentöne. Die nahe Bahnhofsanlage zwischen Zürich und Baden wird zur „Gleisharfe“, um nur eine seiner vielen Wortschöpfungen zu nennen. Peter Weber schreibt ohne Zweifel anspruchsvolle Bücher. Der Erzählstränge sind viele, vielfach verknotet, verschwinden bisweilen und tauchen andernorts wieder auf, wie das Wasser, das versickert und unverhofft als Quelle aus dem Boden springt. Diese Bild scheint mir passend für seine lebendige Sprache zu sein.

https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Weber_(Schriftsteller)