Die Lyrik von Monika Schnyder berührt. Mit Ihren Texten versteht sie es, intensive Momente in einer Sprache und mit Wortbildern auszuloten, die immer wieder ganz spezielle Phänomene beschreiben. Dabei spannt sie mit ihrem Sprachsensorium ein Panorama auf, das vom Kleinsten zum Grössten führt oder umgekehrt, von geo- und biologischer Welt- und Erderkundung zum denkbar Alltäglichsten: dem Flattern von Wäsche über einer neapolitanischen Gasse.
Dies ist nur möglich, weil Monika Schnyder seit mehreren Jahrzenten in fremde wie in bekannte Welten reist, stets mit einer feinen unbeschwerten Hartnäckigkeit und Sensibilität die Augen und Ohren offenhält und sich ihre Gedanken in Texte niederschlagen, deren Präzision wiederum die Augen und Ohren anderer öffnet.
Die St.Gallische Kulturstiftung bedankt sich bei Monika Schnyder für ihr umfassendes Werk mit dem Anerkennungspreis 2020.
«mit tuten und blasen das grosse / blech naht im triumphzug im stern- / kugelhagel queren sie den platz / karossen himmlisch verspiegelt über / den blumenkohlschatten…»
Diese Zeilen scheinen mir typisch für Monika Schnyders Lyrik denn: Ob sie den Verkehr, die Entstehung der Meere oder Winzigwesen wie das Silberfischchen in den Blick nimmt, stets sind Verspieltheit und Sprachwitz mit von der Partie.
Inhaltlich nehmen fremde Weltgegenden in allen sechs Bänden einen wichtigen Platz ein. Neben Ägypten und Osteuropa in den letzten Jahren zunehmend auch Italien. Vor allem Genua ist ihr seit ihrem letzten Atelierstipendium zu einer Art zweiter Heimat geworden. «Reisen führt bei mir am zuverlässigsten zu neuen Texten» sagt die 1945 geborene Autorin und Arabischlehrerin. Dabei spannt sie mit ihrem Sprachsensorium ein Panorama auf, das vom Kleinsten zum Grössten führt, oder umgekehrt von geo- und biologischer Welt- und Erderkundung zum denkbar Alltäglichsten: dem Flattern von Wäsche über einer neapolitanischen Gasse.
Überhaupt das Visuelle! In Genua zum Beispiel schaut sie aus einer Bar auf die herbstlichen Gassen und notiert: »wenn es krabben regnet / und krebse, wünsch dir was / signale und windstösse / hochsteckfrisur / als wärs eine reling…» Fünf Zeilen und schon ist die Bartheke zur Reling geworden, das feuchte Laub zu Krabben und Krebsen; das Visuelle, das poetische Assoziationen freisetzt.
Auf die Frage, wie sie zu ihren Texten komme, meinte sie einmal: indem sie regelmässig arbeite. Auch Lesen könne auf die Sprünge helfen, vor allem aber Spazieren, am besten allein, «die Schreibantennen auf Empfang». Beim Umrunden der Weiher, die praktisch vor ihrer Haustüre liegen, hat sie auch den titelgebenden Garten der Götter entdeckt: in den Cumuluswolken zum Beispiel, deren Silhouetten wie «urtiere geplusterte putten türme und kuppeln» aussehen.
Über rund 12 Jahre hat sie den Schreibtisch auch immer mal mit der Bühne vertauscht, um zusammen mit der Sängerin Helena Rüdisühli mit Text-und-Klang-Performances wie «Laufender Hund» und «A la Polaka» durch die Ostschweiz zu touren.
Stilistisch-formal zeigt sich die Autorin immer wieder experimentierfreudig, in ihrem letzten Band vor allem mit ihren Montagegedichten. Dabei sammelt sie, wie sie sagt, potentiell unverständliche Begriffe aus Artikeln z.B. über Astrophysik und Informatik und kombiniert diese frei zu surrealen Textgebilden.
Das Ausloten eigener Befindlichkeiten überlässt Monika Schnyder gerne anderen. Sie verlegt sich vielmehr auf gründliche Recherchen und das bis in die Fachterminologie korrekte Beschreiben ihres Gegenstands. Das gilt sowohl für die Geschichte der Salzgewinnung, ihre lyrischen Ausflüge in die Urgeschichte als auch die neuerliche Annäherung an die Welt der altägyptischen Götter. Trotz aller Präzision wirken ihre Texte aber niemals trocken-belehrend. Ihr Kern liegt in der Ambivalenz, im Spiel von Bedeutung, Metapher, Rhythmus – und Spass (Fred Kurer).
Mit dem Anerkennungspreis 2020 ehrt die St.Gallische Kulturstiftung Monika Schnyder für ihr grossartiges Werk.
http://monikaschnyder.ch