Üppige Sinnlichkeit und knisternde Erotik wechseln mit klaustrophobischen Inszenierungen in Manons frühen Environments, Performances und Serien inszenierter Fotografie. Seit 1974 gehört die Künstlerin zu den Pionierinnen in diesen Ausdrucksformen. Entblösste sie damals provokativ Klischeevorstellungen weiblicher und männlicher Schönheit und Identität, offenbaren ihre jüngeren Arbeiten in subtil gestalteten Fotoperformances und Environments die körperliche und seelische Verletzlichkeit des Menschen angesichts der entfliehenden Zeit. In Bewunderung und Anerkennung für ihr tiefgründiges und bewegendes Schaffen erhält Manon den Grossen Kulturpreis der St.Gallischen Kulturstiftung.
Die Laudatio ist leider nicht mehr vorhanden.
«ln einer fernen Zukunft werden Kunst und Leben eins sein.»
Kürzlich bin ich auf diesen Ausspruch von Mondrian gestossen. Er beschreibt genau die Haltung, die ich als junge Künstlerin vor beinahe 40 Jahren einzunehmen gedachte. Mein erster Auftritt in der Kunstszene war denn auch 1974 das Lachsfarbene Boudoir, das genaugenommen mein Schlafzimmer war. Aus biografischen Gründen – und das hat auch mit meiner Kindheit in St.Gallen zu tun – wollte ich mich als Person neu erfinden. Ich wollte Schüchternheit und Ängste hinter einer starken Figur verstecken, und so scheint damals im Laufe der Zeit die Kunstfigur Manon entstanden zu sein, nicht in einem Kraftakt, sondern langsam und fast organisch. Sie war meine Tarnung. Sie war mein Mantel. Sie war mein Schutzschild. Und manchmal wurde sie mir zum Korsett. Inzwischen allerdings, mit den Jahren und dem älter werden, kommt es mir vor, als seien diese zwei Seiten derselben Medaille, die sogenannte Kunstfigur und die Frau dahinter, im Begriff zusammenzuwachsen.
Identität, Selbstdarstellung und Image waren meine Themen. Erlauben Sie mir hier einen kleinen theoretischen Einschub. Vor vielen Jahren schrieb ich dazu folgendes: Die Selbstpräsentation ist eine Sprache. Sie ist ein Code, der mehr oder weniger gut beherrscht wird. Sie ist das, was die Sinne am direktesten und schnellsten empfangen. Die Pose, die Mimik, die Gestik, die Kleidung, ja sogar die Haarfarbe. All das hat Signalcharakter, ist Standortbestimmung und spiegelt auch das Weltbild des Senders wider. Das lmage – also die Persona – ist die zerbrechliche Schale, die die Psyche zusammenhält. Hier stellt sich die Frage nach der Veräusserlichung des eigenen inneren Bildes. Es geht um den Versuch einer Übereinstimmung von Selbsterlebnis und körperlicher Aussage. Aber Selbstdarstellung hat oft auch etwas Verzweifeltes, denn sie ist eine Synthese zwischen Sehnsucht und Trauer. Eine Gratwanderung, nämlich zwischen dem Wunsch nach einem möglichst perfekten Produkt und dem Bedürfnis, jede Illusion zu zerstören. Soviel dazu.
Und nun möchte ich auf St.Gallen zu sprechen kommen, wo ich zwar nicht geboren wurde, aber aufgewachsen bin. In meinen Augen war St.Gallen damals eine graue Stadt. Der Vater fuhr mit dem Velo, später mit der Vespa an die Hochschule. Die sechsköpfige Familie wohnte in einer 50er-Jahre Blockwohnung an einer überaus verkehrsreichen Strasse. Mein Schulweg, eine sehr lange, sehr gerade Strasse, führte mich rechterhand vorbei am Schlachthof, linkerhand vorbei am Gefängnis und anschliessend vorbei an den Gaskesseln. So war das. Mein Leben als Mensch begann mit dem Eintritt in die Kunstgewerbeschule. Da waren Schüler, die mich wahrnahmen, und Lehrer, die auf mich hörten (und vielleicht sogar auf mich schauten). Das war wunderbar. Ab dieser Zeit versuchte ich herauszufinden, was ich kann und wer ich bin – und zwar losgelöst von familiärer Prägung. Und so begann ich erstmals zu ahnen wohin mein Weg mich führen könnte. Ich verliess die Familie und St.Gallen sehr früh und für sehr lange Zeit. Damals ahnte ich nicht, dass diese Stadt eines Tages zu einer meiner Lieblingsdestinationen würde, und zwar bis heute, und, wie ich hoffe, für immer!
Denn 1990 lud mich ein sehr junger Kurator – es war damals der jüngste Kurator weit und breit – zu einer Einzelausstellung ins Kunstmuseum ein, es war seine erste Ausstellung mit einer Frau, und das war mutig, denn ausserdem hatte ich zu jener Zeit eine Arbeitspause von 7 Jahren hinter mir, und war nicht mehr so angesagt wie zuvor. Seither ist dieser Kontakt nie mehr abgerissen. Ich liebe dieses Haus mit seinem eingeschworenen Team, und der Kurator ist mir zu einem Berater in vielen Fragen geworden. Ich werde weiterhin mit grosser Freude da ein- und ausgehen (mitsamt zwei Hunden), denn ich habe dieser regelmässigen Zusammenarbeit mit dem Hausherrn, Sie kennen ihn alle, viel zu verdanken. Und St.Gallen ist inzwischen bunt geworden!
«Die Kunst darf alles und muss nichts.» Lassen Sie mich mit diesem provokanten Satz schliessen. Ich kenne seinen Ursprung nicht, aber vor vielen Jahren habe ich ihn auf einen meiner Spiegel geschrieben, und da steht er noch. Vielleicht ist er nicht ganz unschuldig daran, dass ich nun hier stehe und von der hiesigen Kulturstiftung diesen wunderbaren Preis in Empfang nehmen darf.
Von Herzen möchte ich mich bedanken bei Frau Corinne Schatz, Kunsthistorikerin und Stiftungsrätin; sie war bei meiner allerersten Ausstellung im Kunstmuseum bereits präsent. Bei Frau Affolter und bei Frau Ammann sowie Frau Michalk für die organisatorischen Belange. Sie hatten viel Geduld mit mir. Auch und ganz besonders natürlich beim Stiftungsrat, alle 12 Namen finden Sie auf der Rückseite Ihrer Einladung! Und bei Herrn Heiser, der extra von Berlin zu uns in die Ostschweiz gereist ist, um hier seine spannende Rede zu halten. Last but not least bedanke ich mich bei Ihnen, liebes Publikum, denn ohne Sie geht gar nichts.
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