St. Gallische Kulturstiftung

2015, Frühjahr

Kino Passerelle

  • aus Wattwil
  • Anerkennungspreis über Fr. 20000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Film, Arthouse-Kino

Urkunde

Die Genossenschaft Kino Passerelle Wattwil erhält den Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung für ihr langjähriges immenses Engagement, im Toggenburg ein Landkino zu betreiben, das sich dem filmischen Mainstream entzieht. Seit 1990 fördert das Team des Kinos Passerelle unabhängig von kommerziellen Überlegungen das Verständnis für den Film als Kunstform. Es bringt dem Publikum als Arthouse-Kino auf dem Land die unermessliche Vielfalt des Films näher. Das Team lanciert auch immer wieder Projekte mit anderen Institutionen aus Kultur, Bildung und Gesellschaft und schlägt damit Brücken zwischen den verschiedenen Bereichen. Das Kino Passerelle ist zu einem wichtigen Bestandteil des kulturellen Netzwerkes des Toggenburgs geworden.

 

Laudatio von Markus Linder, Stiftungsrat und Vize-Präsident

Es ist völlig gegen den Trend. Erstens: Im ländlichen Toggenburg gibt es noch ein Kino. Zweitens: Dieses Kino ist ein Arthouse-Kino und zeigt nur ganz wenige Mainstream-Filme. Es ist das Kino Passerelle in Wattwil. Wie geht das im Jahr 2015, nachdem das Kinosterben in den ländlichen Regionen schon längst eingesetzt hat und selbst in den Städten und Agglomerationen das Heil nur noch in grossen Kinopalästen mit 10 und mehr Sälen gesucht wird?

 

Es geht so: Zuerst einmal mit sehr engagierten, kulturell interessierten Menschen, die es nicht einfach hinnehmen wollen, dass ihre Wohnregion kulturell verarmt, auch wenn sie wirtschaftlich nicht allzu stark ist. Menschen auch, denen es ein Anliegen ist, dass die kulturelle Vielfalt erhalten bleibt, so dass das Toggenburg nicht einfach nur mit urchiger Ländlermusik in Verbindung gebracht wird. Menschen auch, die letztlich mit viel Enthusiasmus und ohne Gewinnstreben an einem Projekt dranbleiben und für Kontinuität sorgen. Und genau dies leben die Leute, die seit 1988 die Genossenschaft Kino Passerelle in Wattwil bilden und das gleichnamige Kino beim Bahnhof betreiben, vor. Die dafür verantwortliche Genossenschaft wurde nach der Schliessung des Kinos «Speer» gegründet; zwei Jahre später, 1990, konnte das neue Kino Passerelle bereits eröffnet werden. Das Projekt stiess im Tal auf eine gute Resonanz; die Toggenburgerinnen und Toggenburger liessen die engagierten Kino-Leute bis heute nicht im Stich. Selbstverständlich könnte der Betrieb ohne Beiträge von Bund, Kanton und Gemeinde nicht aufrechterhalten werden. Doch der Genossenschaft gelingt es, einen respektablen Anteil der Kosten selbst zu decken.

 

Seit der Betriebsaufnahme 1990 sind 25 Jahre vergangen – in dieser Zeit hat sich die Technisierung und Digitalisierung im Filmwesen stark entwickelt. Das Kino Passerelle schaffte es auch hier mitzuhalten. Und es blieb auch beim Ausbau der Liegenschaft nicht untätig. Im Jahr 2000 wurde ein Erweiterungsbau mit einem kleineren zweiten Saal eröffnet, dieses Jahr erfolgt ein weiterer Ausbau mit der Sanierung des grossen Saals.

 

Um eine solche Institution wie das Kino Passerelle aufrechtzuerhalten braucht es auch immer Leute, die mit Leib und Seele dabei sind, die die «Knochenarbeit» verrichten, die das Operative an die Hand nehmen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist das Peter Bötschi. Er ist zweifelsohne der «Mister Passerelle» – er ist mit Herzblut mit dem Kino verbunden. Er ist zuständig für die Programmierung, für die Einsätze der Helferteams, erledigt ganz allgemein die Geschäftsführung des Betriebs. Sein Durchhaltewille, seine Begeisterung für den Film, seine Professionalität in seinem Wirken, sein unermessliches Engagement: Man darf ohne Umschweife feststellen, dass der Erfolg dieses Kinos auch sehr viel mit Peter Bötschi zu tun hat. Er verdient für seine immense Arbeit grosse Anerkennung, Respekt und ein herzliches Dankeschön.

 

Das Kino Passerelle ist mehr als nur ein Kino. Dem verantwortlichen Team ist auch die Kulturvermittlung und vor allem die Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen ein grosses Anliegen. Immer wieder sind Regisseure zu Gast, die über ihre Filme sprechen, oder es sind z.B. Tibeterinnen und Tibeter mit Filmabenden zu Gast, oder Bäuerinnenvereinigungen veranstalten Kinonachmittage mit Apéros, oder Schulklassen sehen sich einen Film (etwa «Grüningers Fall») an und diskutieren anschliessend darüber. Darüber hinaus werden auch immer wieder Projekte mit anderen Kulturveranstaltern des Toggenburgs lanciert, so z.B. mit dem Chössi-Theater Lichtensteig. Dessen letztjährige Eigenproduktion war eine Mafia-Komödie mit dem Titel «Tell a Crime Story». Aufgeführt wurde die Produktion mit eigenen Filmen dann eben nicht im Chössi-Theater, sondern im Kino Passerelle. Dies nur ein Beispiel, wie sich das Kino Passerelle in das toggenburgische Kulturleben einbringt – es ist zweifelsohne zu einem wichtigen Baustein der regionalen Toggenburger Kultur geworden.

 

Dass dabei keine Nabelschau betrieben wird (obwohl gerade die einheimischen Filme besonders gut ankommen), ist den Betreibern des Kinos besonders hoch anzurechnen. Mit den Filmen, die gezeigt werden, geht’s in die weite Welt hinaus – und das kann hierzulande ja bereits ein Risiko darstellen. Doch das Team des Kino Passerelle zeigt hier Beharrlichkeit, Regionales, Helvetisches, Europäisches und Globales sind gleich gewichtet. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Es war für mich eine eigentümliche Erfahrung, mitten im Toggenburg eines Sonntagnachmittags einen Film über ein saudi-arabisches Mädchen, das unbedingt Velo fahren lernen wollte, was aber eigentlich verboten war, zu sehen. Ich hätte jenen Film eher in einem Stadtzürcher Kino erwartet. Aber auch das Passerelle nahm ihn ins Programm auf und das hatte mich beeindruckt. Immer wieder über den eigenen Tellerrand, über das Kleinräumige hinausblicken: Das ist ein Wagnis, aber auch eine Grundhaltung, von der man nicht abweicht. Dies verdient grösste Anerkennung – mit dem Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung.

http://www.kinopasserelle.ch