St. Gallische Kulturstiftung

2020, Frühjahr

Jiři Makovec

  • aus St.Gallen
  • Förderpreis über Fr. 10000.– für die Region St.Gallen
  • Sparte: Bildender Künstler

Urkunde

Als still beobachtender Flaneur reist Jiří Makovec um die Welt und betrachtet mit wachem Auge und stets bereiter Kamera Mensch, Tier und urbane wie ländliche Gegenden. In seinen Fotografien und Kurzfilmen fängt er subtile Verschiebungen des Alltäglichen ins Kuriose, Absurde oder Poetische ein. Als visuelle Tagebücher berichten sie von Entdeckungen am Wegesrand und persönlichen Begegnungen, die von respektvoller Anteilnahme und differenzierter, formaler Wahrnehmung geprägt sind. Seine Porträts in Bild und Film offenbaren einen allem Menschlichen mit Neugier und Sympathie zugewandten Blick und kreieren ein weltumspannendes Panoptikum, das weit auseinanderliegende Orte und Kulturen in sich vereint.

Für sein von Sensibilität und formaler Klarheit geprägtes Schaffen zeichnet die St.Gallische Kulturstiftung Jiří Makovec mit einem Förderpreis aus.

 

Laudatio, von Corinne Schatz, Präsidentin

Mit seiner präzisen Beobachtungsgabe und stets bereiten Kamera fängt Jiří Makovec in Fotografie und Film ebenso alltägliche wie besondere Augenblicke ein, denen oft eine leicht absurde, manchmal auch befremdliche oder humorvolle Wirkung aneignet. Häufig sind es nur kleine Gesten einer Person, ein flüchtiger Gesichtsausdruck, ein kurzer, selbstvergessener Moment, die er dokumentiert. Die Szenen entdeckt er auf seinen Reisen durch urbane und ländliche Gegenden.

 

Jiří Makovec wurde 1977 in Prag geboren, absolvierte ein Studium in Fotografie und lebt seit 2009 in St.Gallen und Zürich. 2019 erschien bei Jungle Books die Publikation «From…To…» mit Fotografien aus sechzehn Schaffensjahren.

 

Die Spannweite der Sujets, die Jiří Makovecs Aufmerksamkeit wecken, umfasst Landschaften und Naturaufnahmen, Architektur und Stadtansichten, seltener Stillleben. In erster Linie aber richtet sich sein Blick auf die Menschen und ihre Aktivitäten sowie zivilisatorische Spuren aller Art. Oft entdeckt man in einer markanten Landschaft irgendwo – vielleicht ganz klein – noch eine Person, die sich darin bewegt oder selber in deren Betrachtung vertieft ist. Eine besondere Rolle kommt den Tieren zu. Sie erscheinen als geradezu anarchisch unangepasste Gesellen, wie die Kuh, die durch eine Parkplatzrabatte ausbüxt oder eine Katze, die gemütlich ausgestreckt auf der Strasse in einem Parkfeld döst. Doch eigentlich erzählen diese Tiere mehr über unseren Umgang mit ihnen, über die Gegebenheiten, mit denen sie sich notgedrungen arrangieren müssen, als über sich selbst. So ist das zentrale Motiv von Jiří Makovec der Mensch. So verschiedenartig Kulturen und Gesellschaften in den bereisten Ländern sind, so verbindend wirkt sein Blick. Er lenkt ihn auf das Skurrile unserer alltäglichen Aktivitäten, unserer Bräuche ebenso wie der Versuche, uns in der selbst geschaffenen, aber oft wenig attraktiven Umwelt zurechtzufinden. Doch seine Fotografien sind bar jeden Zynismus‘, sie zeigen vielmehr eine Neugier, die von Sympathie geprägt ist. Während es in den Social Media eine Tendenz gibt, Menschen der Lächerlichkeit preiszugeben und sie erbarmungslos blosszustellen, lösen seine Aufnahmen amüsiertes, gelegentlich verwundertes Schmunzeln anstelle hämischen Gelächters aus. Statt uns von den Fotografierten mit Überheblichkeit zu distanzieren, erkennen wir unsere eigenen Unvollkommenheiten und fühlen uns mit ihnen verbunden.

 

In Jiří Makovecs Haltung sind ein Respekt und ein Wohlwollen erkennbar, die an die humanistisch geprägte Fotografie des letzten Jahrhunderts erinnern. Vorläufer tauchen im inneren Auge auf, wie Elliott Erwitt, Robert Doisneau und natürlich die grossen Schweizer Fotografen von Werner Bischof und René Burri bis Ernst Scheidegger, um nur einige wenige zu nennen. Henri Cartier-Bresson schrieb in «Images à la sauvette», ein gutes Bild entstehe in dem Augenblick, da Kopf, Auge und Herz als Einheit zusammenwirken, um ein Ereignis oder einen Eindruck einzufangen. Dieses Zusammenwirken erkennt man in den Arbeiten von Jiří Makovec. Allerdings soll hier nicht der Eindruck entstehen, seine Arbeit sei traditionalistisch, sie ist auch nicht im engeren Sinne journalistisch. Sie ist vielmehr tief in unserer Zeit und einer künstlerischen Auffassung verankert, und die Fotografien und Filme entstehen eher wie tagebuchartige Skizzen eines aufmerksamen Beobachters, denn wie ausgeklügelte Kompositionen. Und doch zeigen zahlreiche Beispiele eine sehr präzise ästhetische Anordnung, ein Interesse an formalen Korrespondenzen, die über das blosse Ereignis hinausgehen und diesem eine bleibende Aussagekraft verleihen. Und ja, es gibt auch Aufnahmen, die «einfach schön» sind, als Bild, als Farb- und Formkomposition, als Licht- und Schattenspiel.

 

Es war nun lange die Rede von Fotografien, doch arbeitet Jiří Makovec auch mit Film. So waren an der letzten regionalen Kunstausstellung «Heimspiel 2018» am letzten Heimspiel 2018 zwei Videos zu sehen, für die er den Kunstpreis der St.Galler Ortsbürgergemeinde erhielt. «Eine psychogeografische Ortserkundung» nennt er eines seiner Videos, der Titel umschreibt treffend seine Herangehensweise. Die Kleinstszenen sind von einer ähnlichen Haltung geprägt wie die Fotografien. Es sind Momentaufnahmen aus dem Fluss des Alltags, mit einem immer wieder überraschenden, vorausahnenden Gespür eingefangen. Daneben sind in den letzten Jahren sorgfältig gestaltete Filmporträts von einzelnen Personen entstanden, wie von Emma und ihrer Kuh, die sie hingebungsvoll pflegt, oder von Wilma, die noch im hohen Alter begeistert ihrem Hobby, dem Wasserskifahren frönt.

 

Ob in Fotografie oder Film, Jiří Makovec schärft unseren Blick und öffnet unseren Horizont. Ohne kulturelle Eigenart zu leugnen, lässt er das Verbindende zwischen den Menschen sichtbar werden. In einer Zeit der Vereinzelung und Distanz sind sie Botschafter der Gemeinsamkeit.

https://www.jirimakovec.com