St. Gallische Kulturstiftung

2022, Frühjahr

Harlis Schweizer Hadjidj

  • aus St.Gallen / Bühler
  • Anerkennungspreis über Fr. 15000.– für die Region St.Gallen
  • Sparte: Bildende Künstlerin, Vermittlerin

Urkunde

Seit Anbeginn ihres künstlerischen Schaffens beschäftigt sich Harlis Schweizer Hadjidj konsequent mit Malerei. Ihre Werke zeichnen ein unverkennbar kraftvolles, teils expressives Kolorit, eine eigene Formensprache sowie eine unverwechselbare Handschrift aus. Harlis Schweizers Bilder offenbaren einen allem Menschlichen mit liebevoller Neugier zugewandten Blick. Mit ihrer präzisen Beobachtungsgabe gelingt es ihr, die Essenz ihrer Motive zu erfassen, Zusammenhänge herzustellen und diese anschliessend bildlich umzusetzen. Ebenso wichtig wie ihr eigenes Schaffen ist ihr die Vernetzung von Kunstschaffenden sowie die Vermittlung von Kunst für weniger kulturaffine Bevölkerungsschichten. Die St.Gallische Kulturstiftung zeichnet daher die engagierte Künstlerin und begeisterte, kreative Vermittlerin mit dem Anerkennungspreis aus.

 

Laudatio, von Claudia Reeb, Stiftungsrätin

Seit Anbeginn ihres künstlerischen Schaffens beschäftigt sich Harlis Schweizer Hadjidj konsequent mit Malerei. Ihre Werke zeichnen sich aus durch ein kraftvolles, teils expressives Kolorit, eine besondere Formensprache sowie die unverwechselbare Handschrift. Harlis Schweizers Bilder offenbaren den mit liebevoller Neugier allem Menschlichen zugewandten Blick der Künstlerin. Dank ihrer präzisen Beobachtungsgabe gelingt es ihr, in ihren Sujets die Essenz bildlich zu erfassen und spannende motivische Zusammenhänge herzustellen.
Ebenso wichtig wie ihr eigenes Schaffen ist ihr die Vernetzung von Kunstschaffenden sowie die Vermittlung von Kunst an weniger kulturaffine Bevölkerungsschichten. Die St. Gallische Kulturstiftung zeichnet die vielseitige Künstlerin und kreative Vermittlerin für die Qualität ihres Schaffens und für ihr grosses Engagement mit dem Anerkennungspreis aus.

 

Harlis Schweizer ist vielseitig interessiert, aktiv. Ihr Schaffen ist weit verzweigt und dennoch inhaltlich eng verknüpft – sie ist Künstlerin, Vernetzerin, Vermittlerin.

 

In eine Künstlerfamilie hineingeboren, hat sie sich ihrerseits für den kreativen Weg entschieden und sich nach dem Besuch der Schule für Gestaltung in St. Gallen an der École de Décor de Théâtre in Genf zur Theatermalerin ausbilden lassen. Anschliessend folgten verschiedene Atelier- und Auslandaufenthalte. Die damit einhergehenden Erfahrungen bilden bis heute das Fundament ihres Schaffens, seien dies die Herangehensweise beim Malen oder die damals gewonnenen Einblicke in unterschiedlichste Kulturen; und als stete kreative Antriebsfeder erweist sich ihre Offenheit und Neugier allem Neuen und Unbekannten gegenüber. Seit 1996 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in ihrem Atelier in Gais und seit 2005 zusätzlich in St. Gallen.

 

In ihrem künstlerischen Tun beschäftigt sich Harlis Schweizer in erster Linie mit Ölmalerei, mit dem Skizzieren und mit Druckgrafik. Sie wählt dabei vornehmlich klassische Motive: Menschen, Orte und Landschaften, die sie aus ihrem persönlichen Blickwinkel kritisch provokativ, minimalistisch fokussiert oder opulent schwärmerisch in Szene setzt. Sie arbeitet dabei nicht selten in Serien, da ihr dies die Möglichkeit bietet, sich mit dem gewählten Thema intensiver auseinanderzusetzen, sprich, dieses eingehender zu untersuchen und in seinen verschiedenen Facetten auszuloten. Hierbei ist jedes einzelne Bildmotive für sich ein eigenständiges Werk. Sind dann alle Teile zusammengefügt, stellt sich beim Betrachten der Eindruck ein, filmgleich, an einer längeren Geschichte teilzuhaben. Den einzelnen Werken kommt dadurch die Funktion prägnanter Filmstills zu. Oder – mit Blick auf Harlis’ künstlerische Expertise als Theatermalerin – könnten die Werkreihen auch als Bühnenstücke gelesen werden, die einzelnen Gemälde dann als eigenständige Szenen.

 

Lassen Sie mich dies anhand der Bildserie «Limelight» verdeutlichen: Diese ist 2016 als Vorbereitung auf eine Gruppenausstellung im Engländerbau in Vaduz entstanden, im Zuge von Harlis Schweizers Auseinandersetzung mit dem Thema «Süden». Die Künstlerin schickt uns mit «Limelight» auf eine atmosphärische Reise von ihrem Wohnort in der Ostschweiz in Richtung Süden, mit dem sie aufgrund der wiederkehrenden Ferienaufenthalte bei der Familie ihrer Mutter profund vertraut ist.

 

Als Grundlage für die grossformatigen Gemälde dienen Fotografien, welche die Künstlerin dort, in einem kleinen Ort in der Nähe des südfranzösischen Montpellier, und teilweise aus  dem fahrenden Auto heraus aufgenommen hat. Es handelt sich bei ihren künstlerischen Umsetzungen indes nicht um getreue Wiedergabe der von ihr wahrgenommenen und fotografierten Realität, sondern vielmehr transformiert Harlis Schweizer diese in eine eigene modifizierte Bildsprache. Zwei Aspekte sind ihr hierbei besonders wichtig: Zum einen der gewählte Bildausschnitt, der einen zufälligen Augenblick festhält, nichts Bedeutendes zeigt, sondern das Alltägliche, ja Banale, in den Mittelpunkt stellt. In den Bildern ist das Vorher und das Nachher stets so präsent, wie der Augenblick selbst – das Nicht-Dargestellte schwingt folglich bei der Betrachtung ihrer Bilder unmittelbar mit. Zum andern gelingt es der Künstlerin, durch diese schlaglichtartige Aufnahme und durch die gezielte Verwendung einer abweichenden, teils ungewohnten Farbpalette, den akzentuierenden Lichtflächen und dem lichtdurchwirkten hohen Horizont eine ganz eigentümliche Stimmung zu verleihen und so eine Art Traumwelt zu erzeugen. Diese Bilder wecken die Sehnsucht nach Aufbruch, nach Ferne, nach Neubeginn, nach Freiheit und mögen gar Hoffnung aufkeimen lassen. Eine solche Bildwirkung wäre nicht erzielbar ohne Harlis Schweizers fundierte Kenntnisse der Geschichte und des Mediums Malerei. Die gekonnte Verwendung von Perspektive, von überraschenden Ein- und Ausblicken sowie die Setzung von Leerstellen und Verunklärungen sind zu ihrem Markenzeichen geworden. Als Beispiel hierfür das Werk «Harlis im MoMA» von 2017: Darin hat die Künstlerin kurzerhand ihre eigenen Bilder in die Innenräume des New Yorker Museums «gehängt» und führt die Sehgewohnheiten der Betrachter/innen durch die vermeintlichen Fensterblicke, bei denen es sich jedoch um ihre eigenen Leinwände handelt, in die Irre. Magische Nah- und Übersicht schafft Harlis Schweizer in den Werken aus der Bildserie «New Work», die im Auftrag der Kantonalen Verwaltung entstanden ist und Arbeitsplätze von Mitarbeitenden porträtiert. Die gänzliche Abwesenheit von Personen rückt die Szenen aus der Zeit und lässt sie eigentümlich bizarr erscheinen.

 

Nebst ihren malerischen Recherchen ist Harlis Schweizer das Vermitteln von Kunst für Menschen mit unterschiedlichsten Bildungsvoraussetzungen und kulturellem Hintergrund eine Herzensangelegenheit: Die von ihr organisierten Erzählnachmittage in einem Seniorenheim, ihre Beteiligung am Kunstkollektiv «Streunender Hund», Gespräche mit Passanten auf der Strasse oder der Einbezug des ganzen Dorfs Bühler in ihr Kunstprojekt, zeugen davon. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang ihr Engagement während des Lockdowns: Mit «Passage» hat sie trotz einschränkender Bedingungen einen Weg gefunden, einerseits dem Publikum weiterhin einen Zugang zur Kunst zu ermöglichen und andererseits ihr Kunstschaffen konsequent weiterzuverfolgen und zu entwickeln. Die Künstlerin hat Menschen, die in Bühler auf der Hauptstrasse unterwegs waren, aus dem Moment spontan porträtiert. Entstanden sind aus dem Kontext gelöste Charakterstudien in Ölkreide und Tusche auf Papier. Durch genaue Beobachtung ist es der Künstlerin auch hier gelungen, das Wesentliche der ihr oft nicht persönlich bekannten Porträtierten herauszuschälen. Ob in der Malerei, beim Skizzieren oder Vermitteln, stets zeigt sich Harlis Schweizers vortreffliche Beobachtungsgabe und ihre herausragende Fähigkeit, ihre Wahrnehmung in eine eigenständige Bildsprache zu transformieren und so Unsichtbares für uns sichtbar zu machen.

 

Ich freue mich sehr, Harlis, dir heute Abend im Namen der St. Gallischen Kulturstiftung einen Anerkennungspreis zu übergeben.

https://harlis.ch/