Die Triennale der Skulptur macht Bad Ragaz alle drei Jahre zu Bad RagARTz. Esther und Rolf Hohmeister sind die Erfinder, Initianten, Veranstalter und Organisatoren dieser schweizweit einmaligen Ausstellung. Im Jahr 2015 fand diese für alle frei zugängliche Openair-Kunstausstellung bereits zum sechsten Mal statt. Für dieses enorme und in seiner Dimension einzigartige Kulturengagement zeichnet die St.Gallische Kulturstiftung Esther und Rolf Hohmeister mit dem Kulturpreis aus.
90 Künstlerinnen und Künstler haben im vergangenen Sommer ihre Kunst in Bad Ragaz ausgestellt, 450 Skulpturen waren platziert, über 1000 Führungen wurden durchgeführt – und mindestens so viele Möglichkeiten an Laudationes gäbe es für heutigen Anlass. Man könnte eine solche mit weiteren eindrücklichen Zahlen beginnen, oder von der Steigerung der Übernachtungen sprechen, der hohen Zufriedenheit der Ragazer Gewerbetreibenden, oder der Aufopferung der Hohmeisters, oder oder oder – es käme stets auf das Gleiche hinaus!:
1. Die Bad Ragazer Kunstausstellung ist eine Erfolgsgeschichte: sie begeistert und bereichert immer wieder aufs Neue!
2. Der Familie Hohmeister gebührt die höchste aller möglichen Dankesbezeugungen.
Ich versuche es mit «Glücksmomenten», sehr geschätzte Damen und Herren, liebe Esther und Rolf Hohmeister, Glücksmomente sollen mein Leitmotiv für diese Laudatio sein, die ich im Namen des Stiftungsrates an die beiden auszuzeichnenden Preisträger richten darf. Glücksmomenten ist Flüchtigkeit inne, schon per definitionem – sie sind kaum voraussehbar, geschweige denn planbar: urplötzlich sind sie da, man spürt sie, ein Gefühl der Erhabenheit ergreift einen leise, und bevor man wirklich zu begreifen beginnt, verflüchtigen sie sich, sind schon wieder weg. Manchmal allerdings gibt es jene Glücksmomente, die auf beinahe wundersame Weise andauern und niemals aufzuhören scheinen. Oder: Glücksmomente werden zu Fügung, sie lösen etwas aus, multiplizieren sich und sorgen für deren eigene Verbreitung. Letztere Konstellation lag im soeben zu Ende gegangenen «Bad RagARTz»-Sommer 2015 vor, wie in den früheren Kunstjahren. Die Familie Hohmeister begünstigt sie nicht nur, sie ist Mutter und Urheberin jener Fügung. Lassen Sie mich von einigen solcher Glücksereignissen sprechen, die uns schliesslich heute Abend hierher geführt haben, und blenden wir zurück an die Anfänge.
Sylvester 1998: Esther und Rolf Hohmeister, ihres Zeichens engagierte und kulturinteressierte Einheimische (zur Präzisierung für unsere auswärtigen Gäste: Esther, Mutter dreier Töchter, Poetin, Klarinettistin, Multiorganisationstalent, Schlichtungsstelle, gute Seele – und Rolf, Rheumatologe, seit 35 Jahren Arzt des Medizinischen Zentrums, Schwerarbeiter, Klavierspieler, Whisky- und noch viel mehr-Kenner), Esther und Rolf verbringen die letzten Tage des Jahres 1998 in München. Sylvester bedeutet Aufgeräumtheit, Besinnung, Erwartung – aber auch feiern, Champagner, Feuerwerk. Die Knallerei wird im wahrsten Sinne des Wortes zur Initialzündung der Bad RagARTz, zu deren Urknall. Esther und Rolf fragen sich, wie viel Pulver in die Luft verschleudert wird und wie viel anderes man damit anfangen könnte, kann: Konkreteres, Nachhaltigeres, Schöneres. Warum nicht in Bad Ragaz etwas auf die Beine stellen, das dem einstmals gerühmten und zwischenzeitlich etwas Staub ansetzenden Badekurort wieder neues Leben einhaucht? Vielleicht mit Kunst, sagen sich die Hohmeisters, die bekanntlich gemäss Picasso auch den Staub des Alltags von der Seele wäscht? Hier ist es, DAS Ur-Glücksmomentum! Kaum war die Idee geboren und mögliche Konzepte zu drei angedachten, alle drei Jahre stattfindenden Skulpturenausstellungen ausgeheckt, wurde zur Tat geschritten: exakt 15 Monate blieben, um eine allererste solche in Bad Ragaz zu realisieren. Das Resultat liess sich sehen, die ausserordentliche Qualität des Gezeigten sprach sich weit über die Region hinaus herum, und die extra für diese Ausstellung von Hohmeisters aufgenommene Hypothek aufs Haus konnte zur Erleichterung aller Beteiligten getilgt werden.
2003, nun nach etwas mehr Vorlaufzeit und entsprechend noch sorgfältigerer Vorbereitung und Auswahl der Künstlerinnen und Künstler, wurde erstmals aus Bad Ragaz ein Kunstort, der seinesgleichen suchte (und bis heute nicht gefunden worden ist). Die Hohmeisters stellten ihr Leben auf den Kopf und beanspruchten, zusammen mit ihren 3 Töchtern Carla, Andrea und Petra, fortan wohl jede Stunde ihrer Freizeit für die Organisation der sogenannten Schweizerischen Triennale der Skulptur. Herzblut, Leidenschaft, Gespür für Menschen, Verhandlungsgeschick, Beziehungen, Liebe zu Kunstschaffenden und viele Tugenden mehr führten dazu, dass die Kunst zu festem Bestandteil der Geschichte von Bad Ragaz wurde, einem Märchen gleich zu einer Erfolgsgeschichte. Wer eine Vision hat, soll zum Arzt gehen, bemerkte Helmut Schmidt einmal mit Schalk: die Hohmeisters lehren uns anders: ihre Vision besagt, dass man seinen Traum leben soll und realisieren kann.
2006, 2009, 2012 und schliesslich 2015 folgten. In all jenen insgesamt sechs Sommern war in Bad Ragaz die Kunst los! Aber nicht nur in Bad Ragaz selbst, sondern unter derselben Ägide und dem Namen Bad RagARTz auch mit einer beachtlichen Anzahl Skulpturen in Vaduz sowie, als Sahnehäuptchen sozusagen, einer Kleinskulpturenausstellung im Alten Bad Pfäfers und einer monothematischen Ausstellung im ehemaligen Rathaus, der Pinakothek Bad Ragaz.
«Kunst ist Lebenselixier», sagen die Hohmeisters keck; Kunst und Kultur seien ein wertvolles Geschenk an die Menschen und die Gesellschaft, seien ihr persönliches Geschenk an Bad Ragaz. Diese enorme Grosszügigkeit steckt an, genau wie das Lächeln, das sich auf den Gesichtern der Bad RagARTz-Besucherinnen und Besuchern immer wieder entdecken lässt. Über all die Jahre breiteten und breiten sich Glücksmomente zuhauf aus, jeder auf seine Weise wahrgenommen, Kreisen gleich, die sich im Wasser bilden, wenn man ein Steinchen hinein wirft. Dass Kunst besonders Sinn macht, wenn sie zu den Menschen geht, kann man in Bad Ragaz auf eindrückliche Weise erfahren. Auf Schritt und Tritt verfolgen einen Plastiken, an jedem Ort erhascht man ein paar Wortfetzen über dieses oder jene Objekt, und im Nu ist man, sind Einheimische wie Fremde in ein Gespräch verwickelt, die sich sonst vielleicht nie sprechen würden, sowohl generationen- als auch schichtenübergreifend! Die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler erfolgt ausschliesslich durch die Hohmeisters. Ein guter Mix zwischen klingenden Namen der internationalen und nationalen Kunstszene sowie regional bekannten Kunstschaffenden sorgt dafür, dass verschiedenste Ansprüche erfüllt werden und alle auf ihre Rechnung kommen. Die ausgewogene Mischung zwischen jungen und alten wie weiblichen und männlichen Schöpfern versteht sich von selbst. Mal überwiegt Klassik, dann Moderne, mal Futuristisches, dann Traditionelles, Freches, Abstraktes, Konkretes, … die Kriterien sind unerschöpflich.
A key to a dream – so lautete im Sommer 2015 der Name meiner Skulptur. Jene Marmorplastik war es, die mich immer wieder durch ihre Ausstrahlung, ihre Kraft und Ruhe sowie reinen Schönheit in Bann zog. Es war und ist meistens ausdrücklich erlaubt, sie zu berühren, ihre Oberfläche zu spüren und in einen Dialog mit ihr zu treten. Welch ein Glücksmoment! Vielleicht empfinde ich all jenen Leuten gleich, die sich ebenfalls die Freiheit nehmen, sich von der einen oder anderen Skulptur vereinnahmen zu lassen. A key to a dream – zu vielen Träumen liefern die Hohmeisters passende Schlüssel. Ein abendlicher Spaziergang im Spätherbst beschert einem nochmals ein unverhofftes Glücksmoment: Die Skulpturen treten anders, in neuer Qualität in Erscheinung. Zum einen ist es das Licht der Dämmerung, das die Farbigkeit verblassen und durch den hohen Grauanteil die Oberflächen matt schimmern lässt. Die Skulpturen verschmelzen mit ihrer Umgebung, sie werden eins. Zum anderen treten die Kunstwerke nicht mehr mit den Menschen in Dialog, die sie tagsüber zu Hunderten belagern, sondern untereinander. Marmor hier und Holz dort kommunizieren auf ihre Weise, Stahl und Textil, Bronze und Granit. Man ist versucht, ganz leise zu werden und genau hinzuhören, was sich abspielt. Die Nacht gehört ihnen. Irgendwann kommt der Moment des Abschiednehmens. Die 450 Objekte verschwinden im Laufe des Novembers, diskret und ohne Aufheben, so wie sie im Mai gekommen sind. Vereinzelt stehen sie heute, eine Woche nach offiziellem Schluss, noch herum, am nächsten Montag vielleicht zeugen nur noch Spuren im Gras von ihrer Präsenz. Die leise Jahreszeit naht, es wird leise in Bad Ragaz.
Am Schluss meiner Ausführungen und bevor wir zur Übergabe der Urkunde schreiten, möchte ich mich einfach ganz tief verneigen vor eurer grandiosen Leistung, Esther und Rolf; ich tue dies stellvertretend für unzählige Menschen und sage ganz herzlich DANKE, verbunden mit meinen besten Wünschen für ein gutes Leben.
http://www.badragartz.ch