St. Gallische Kulturstiftung

1993, Herbst

Dr. Jost Kirchgraber

  • aus Ebnat-Kappel
  • Anerkennungspreis über Fr. 5000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Publizist kunsthistorischen Inhalts über das Toggenburg und die Stadt St.Gallen

Urkunde

Freude an Kunst und Kultur, Verantwortungsbewusstsein als Bürger und freundliche Zuwendung zu jungen Menschen prägen den jahrzehntelangen vielfältigen kulturellen Einsatz von Dr. Jost Kirchgraber, Ebnat-Kuppel. Die St.Gallische Kulturstiftung verleiht ihm einen Anerkennungspreis in Würdigung seiner Verdienste als Autor zahlreicher Schriften und Bucher aus dem Bereich der Architektur als Ausdruck der Lebenshaltung. In kompetenter Sachlichkeit, energisch und unerschrocken, hat er sich in Fragen der Denkmalpflege und des Heimatschutzes für das Leben in der gebauten Welt verdient gemacht. Mit dem Preis verbindet sich in besonderem Masse Dank für den Einsatz zugunsten des Theaterspiels an der Kantonsschule Wattwil, welcher einem offenen Herzen und einem klaren, kritischen Verstand gleichermassen verpflichtet ist.

 

Laudatio

„Tempora mutantur“, es ändern sich die Zeiten, es ändern sich Wertvorstellungen, es ändern sich Haltung und Einstellung gegenüber der Natur und gegenüber Errungenschaften des menschlichen Verstandes. Was der einen Generation wertvoll und wichtig erscheint, darüber rümpft eine spätere die Nase. Manches aber bleibt bestehen als Zeichen vergangener Lebensart und Lebenshaltung, als Zeichen der Zeit. Solche „Zeitzeichen“ haben es unserem zweiten Gast, dem Gymnasiallehrer Jost Kirchgraber angetan. Trotz eines wohlbemessenen Pensums an der Kantonsschule Wattwil beschäftigt er sich mit dem ihm eigenen Schwung und der ihm eigenen Gründlichkeit mit Erscheinungen und Zeugen der Architektur in der Kulturgeschichte. Er tut dies freilich nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft, aus sich selbst und für sich selbst. Was er da in unendlicher Kleinarbeit im Laufe der Zeit zusammenträgt, behält er nicht für sich. In Schriften, Aufsätzen und Büchern lässt er die Zeitgenossen teilhaben an seinen Entdeckungen und Erfahrungen.

 

Eine ganze Reihe von vielbeachteten Publikationen ist den architektonischen Erscheinungen der Stadt St. Gallen gewidmet, welcher er sich durch seine Herkunft verbunden fühlt. In der Verlagsgemeinschaf St. Gallen ist zum Beispiel sein Buch über „Bauten des Jugendstils, 1900 bis 1914“ erschienen. Anerkannte Fachleute attestieren ihm eine umfassende Übersicht und würdigen insbesondere den Umstand, dass er den doch etwas strapazierten Begriff des Jugendstils durch enge Verbindung mit der städtischen Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu einem Erlebnis werden lässt. Er hat auch kompetent mitgewirkt am zweiten Band der „Natur- und Kulturobjekte der Stadt St.Gallen“ und dafür mit sorgfältiger Umsicht das Inventar der schützenswerten Bauten ausserhalb des Stadtkerns erstellt. Es zählt dieser Band zu den schönsten Büchern des Jahres 1984.

 

Ihm ist an der Ausstellung der „Schönsten Bücher der Welt“ in Leipzig 1985 die Bronze-Medaille zuerkannt worden und 1989 der Ehrenpreis an der Internationalen Buchausstellung in Leipzig. In der Verlagsgemeinschaft St. Gallen, dessen Gründer und langjähriger Präsident, Jost Hochuli, im Sommer dieses Jahres von der St.Gallischen Kulturstiftung als „Meister der Schrift“ und als „Buchgestalter“ mit einem Preis ausgezeichnet worden ist, erschien 1990 auch Jost Kirchgrabers Werk über „das bäuerliche Toggenburger Haus und seine Kultur“ im oberen Thur- und Neckertal in der Zeit zwischen 1648 und 1798. Schon die Titel, welche über die einzelnen Hauptkapitel gesetzt sind, lassen ahnen, was der Text offenbart. Da stehen Häuser nicht einfach da und schauen auch nicht einfach so aus. Sie erweisen sich als Ausdruck einer bestimmten Lebensart, einer Glaubenshaltung, sind eingebettet in ein grosses System. Was einer glaubte, wovor einer sich fürchtete, wie einer lebte und dachte, so baute er sein Haus, das nicht nur die eigene Funktion verkörpert, sondern auch das Aufgehoben sein in der Schöpfung.

 

Mit unendlicher Geduld und Akribie hat Jost Kirchgraber grössere, kleinere und kleinste, bedeutsame und scheinbar unwesentliche Hinweise gesammelt, zusammengetragen, zugeordnet und zueinander in Beziehung gebracht. Daraus ist ein originelles Werk entstanden, das die kräftigen Züge der sehr persönlichen Handschrift eines Kenners von Land und Leuten trägt. Inhaltlich sprengt es den traditionellen Rahmen einer Geschichte des Toggenburger Bauernhauses bei weitem. Das Buch ist zu einem kulturgeschichtlich bedeutsamen Ereignis geworden. Es weist den Verfasser aus als orts- und sachkundigen, verständigen Anwalt der gebauten Welt und des Lebens, das darin geborgen bleibt. Es wundert darum nicht, dass er seit vielen Jahren im St.Galler Heimatschutz tätig ist und auch seiner Wohngemeinde Ebnat-Kappel als versierter, angesehener Berater in Fragen der Denkmalpflege zur Verfügung steht.

 

Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit – und wesentlich darüberhinaus – , setzt sich Jost Kirchgraber ein für das Schultheater. Dank seiner Initiative und seines persönlichen Engagements sind in regelmässigen Abständen bemerkenswerte Theateraufführungen mit Kantonsschülerinnen und Kantonsschülern zustande gekommen. Die St.Gallische Kulturstiftung  anerkennt sein Kulturverständnis und seinen aussergewöhnlichen Einsatz für „gelebte Kultur“ aus Freude an der Sache und aus der Verantwortung des mündigen, aktiven Staatsbürgers. Sie zeichnet sein vielfältiges kulturelles Wirken mit einem Anerkennungspreis aus.