St. Gallische Kulturstiftung

1990, Frühjahr

Dr. Hermann Bauer

  • aus St.Gallen
  • Anerkennungspreis über Fr. 5000.– für die Region St.Gallen
  • Sparte: Redaktor, Publizist zur Stadt St.Galler Mundart

Urkunde

Dr. Hermann Bauer hat in origineller und feinfühliger Art Merkwürdigkeiten der Sanggaller Mundart mit deren sprachhistorischer Herkunft, deren Wortsinn und deren Umgangsgebrauch aufgearbeitet. Daraus hat er auch Merkmale des menschlich-persönlichen Wesens des Sanggallers skizziert. Mit seinen Publikationen hiezu hat er das Bewusstsein für die kulturellen Werte der Mundart belebt und Wertvolles zur Erhaltung der St. Galler Eigenständigkeit in diesem Bereich beigetragen. Zahlreiche weitere Publikationen hat er vielfältigen kulturellen Belangen von Stadt und Region St.Gallen gewidmet. Seine Tätigkeit als St.Galler Lokal- und Kulturredaktor für „Die Ostschweiz“ während 30 Jahren war geprägt durch seine Verbundenheit zur Stadt, ihren Leuten und ihren öffentlichen und privaten Gemeinschaften und war durch die Öffentlichkeit geachtet.

 

Laudatio

Den Städtern ist es in der Tat aufgefallen, dass Dr. Hermann Bauer seit zwei Jahren, seit seinem Ruhestand mit auswärtigem Wohnsitz, aus dem Stadtbild verschwunden ist. 30 Jahre lang war er für „Die Ostschweiz“ als Stadt- und Kulturredaktor unterwegs, tagsüber in den Gassen mit einer auf das Mindestmass beschränkten Aktentasche, mit dem Ziel der Brennpunkte des städtischen Geschehens, und ebenso zu jeder Tages- und Nachtzeit präsent bei Anlässen und Versammlungen zu Politik, Gesellschaft und Kultur, um anderntags seinen Bericht „im Blatt“ folgen zu lassen. Um gleich hier eine mundartliche Formel anzuführen, kommt für den St. Galler „Blatt“ von „Tagblatt“, hat sich indessen früher, als es noch keine Gratisblätter gab, auf eines jeden Leibblatt übertragen. Mein Vater fragte zu Hause nie anders als „Wo isch s’Blatt?“. Man weiss, dass fallweise dem „Blatt“ noch schmückende Beiworte vorangestellt sind.

 

Nach einigen Jahren Mitarbeit bei den „Luzerner Neuesten Nachrichten“ und beim „Vaterland“ sind für den Germanisten und Kunsthistoriker Dr. Hermann Bauer 30 Jahre Lokal-und Kulturredaktor für „Die Ostschweiz“ zu seinem Lebenswerk geworden. Bürgerlich von Waldkirch im Fürstenland kam er im Haus „Schönbühl“ unten an der Laimatstrasse 7 zur Welt und marschierte von dort zur Primarschule ins Grabenschulhaus. Wer noch wissbegieriger ist zu seinen Jugendjahren, der erfährt manches aus seinem köstlichen Aufsatz „Allerlei vom Schönbühl unten am Laimat“ in der diesjährigen „Gallusstadt 1990“. Dieses grosse Elternhaus in repräsentativem Biedermeierstil war 1784 von einem Fabrikanten im Dorf Speicher erbaut, absonderlicherweise 100 Jahre später dort abgebrochen und zum gleichen Wiederaufbau in die Stadt ins Laimat transportiert worden. Es wird auch in Erinnerung gerufen, dass in diesem Haus während einiger Jahre vor dem 1. Weltkrieg das k. und k. österreichisch-ungarische Konsulat seinen Sitz hatte, gekennzeichnet durch das Emblem der Donaumonarchie, den Doppeladler, über dem Hauptportal. Diese aus dem Aufsatz von Hermann Bauer herausgegriffenen Umstände zu seinem Elternhaus liessen sich fast auslegen als Vorzeichen für seine Ausrichtung auf historische und kulturelle Originalitäten und auf seine Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit in seiner späteren Redaktoren-    und Literatentätigkeit.

 

Diese Merkmale, gepaart mit Freude im Zusammensein mit Leuten, und dazu insbesondere seine Hellhörigkeit gegenüber deren Umgangssprache, waren es wohl, die Dr. Hermann Bauer zu einer vertieften und forschenden Bearbeitung von Hintergründen und Zusammenhängen in der stadt-st.galler Mundart führten. Im Vorwort zu einem seiner Bändchen sagt er hiezu: „Sie (die Sanggaller Mundart) ist keineswegs leer und farblos, sondern viel reicher, eigenständiger und nuancierter als es vielleicht den Anschein macht. Wir verfügen in unserem Wortschatz über viele Merkwürdigkeiten, die sowohl sprachhistorisch als auch menschlich interessant sind und Rückschlüsse auf den Sanggaller Charakter zulassen.“ Er bemerkt dazu, dass zeitbedingt die Mundart gewiss ein sich wandelnder Organismus ist, dass man zu den überlieferten und eigenständigen Merkwürdigkeiten aber doch Sorge tragen sollte.

 

Sein Schaffen zur St. Galler Mundart hat Dr. Hermann Bauer hauptsächlich in drei Bändchen erscheinen lassen:
– 1972   „aadlech bis zibölele“, 30 Merkwürdigkeiten aus dem Sanggaller Wörterbuch
– 1973   „s’isch all daa“, drei Dutzend bemerkenswerte Sanggaller Redensarten
– 1978   „Joo gad-o-noo“, Sanggaller Sprach- und Lokalmundart in vier Dutzend Redensarten

 

Die genannten Buchtitel müssen und können auch als Zitate aus den Werken genügen, weil sie selbst schon aussagen, dass der betroffene Leser die Merkwürdigkeiten auf jeder Seite mit einem Schmunzeln quittieren kann. Die mundartlichen Gebräuche hat Hermann Bauer auch miteinbezogen zur Skizzierung des menschlich-persönlichen Wesens des Sanggallers, soweit es diesen kantonsweit überhaupt gibt. Dazu ein Zitat aus seinem Beitrag „Von der Schwierigkeit, sich ein Bild der St. Galler zu machen“:

 

„Vom Begg und vom Zogger “
Wie verschieden St.Galler auf engstem Raum einmal sein konnten, zeigte sich in dem eher kurios-amüsanten Umstand, dass die in der Stadt nicht nur anderer Konfession waren als die auf der Landschaft, sondern auch nicht gleich redeten. Hiess es drinnen Beck und Zocker, so draussen Begg und Zogger. Eine Magd aus dem Fürstenland, die bei einer Stadtbürgersfrau diente, bekam von ihr, als sie berichtete, sie sei beim „Begg“ gewesen und habe gleich auch noch „Zogger“ gepostet, zu hören: „Gang, red doch nöd so katholisch!“

 

Neben diesen Arbeiten zur Sanggaller Mundart besteht eine Liste weiterer literarischer Werke und Beiträge zu kulturellen Belangen von Stadt und Region St.Gallen von Hermann Bauer.

 

Hermann Bauer darf der Anerkennung und des Dankes der Öffentlichkeit für sein Werk zur Umschreibung des Stadt-Sanggallers in seiner Sprache „wie n am de Schnabel gwachse n isch“ und in seinem Wesen gewiss sein. Damit verbunden ist die Achtung der Öffentlichkeit gegenüber seiner 30jährigen Redaktionstätigkeit für Lokales und Kulturelles für „Die Ostschweiz“, die geprägt war durch seine Verbundenheit zur Stadt, ihren Leuten und ihren öffentlichen und privaten Gemeinschaften. Vor manchen Jahren durfte er dafür von der Stadt einen Förderungspreis entgegennehmen. Und schliesslich erfreut sich auch sein weiteres literarisches Werk der öffentlichen Wertschätzung.