St. Gallische Kulturstiftung

1987, Frühjahr

Dr. h.c. Heinrich Seitter

  • aus Sargans
  • Anerkennungspreis über Fr. 5000.– für die Region Sarganserland
  • Sparte: Biologe, Flora von St.Gallen und Appenzell

Urkunde

Dr. h.c. Heinrich Seitter leistet seit seinen jungen Jahren systematische Arbeit mit wissenschaftlich anerkannten Forschungsergebnissen in der Botanik. Er hat Fachwerke selbst verfasst und an zahlreichen andern massgebend mitgearbeitet. Seit 1980 hat er aus freiem Entscheid vorhandene Fragmente aus früheren Bearbeitungen zur „Flora von St.Gallen und Appenzell“ übernommen und dieses für die Region bedeutende Werk nunmehr vollendet.

 

Laudatio von Carl Scheitlin, Stiftungsratspräsident

Der Stiftungsrat der St. Gallischen Kulturstiftung hat an seiner Sitzung vom 22. Oktober 1986 beschlossen, Dr. h.c. Heinrich Seitter, Botaniker, Sargans, einen Anerkennungspreis zu verleihen für seine anerkannte wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Botanik und im besonderen für die Vollendung des Pflanzenbuches „Flora von St. Gallen und Appenzell“.

 

Heinrich Seitter, Bürger von Krinau, steht im 85. Lebensjahr (Geburtsjahr 1902). Er ist als pensionierter SBB-Zugführer in Sargans an der Ratellerstrasse 1 zu Hause. Seine Jugendjahre mit der Schule und der Berufsausbildung als Schlosser verbrachte er in St. Margrethen. Zur Aufmerksamkeit für die Natur sei er schon in der Primarschule durch seinen Lehrer Fritz Saxer hingeführt worden, später für seine anerkannte Arbeit auf dem Gebiet der Geologie mit dem Ehrendoktor ausgezeichnet.

 

Nach dem Übertritt in den Fahrdienst der Schweizerischen Bundesbahnen betreute der Zugführer Heinrich Seitter hauptsächlich die Strecken Chur-Zürich und Chur-St.Gallen. Von seinen jungen Jahren her hatte er sich in eine Reihe von naturkundlichen Liebhabereien vertieft. Vorerst war es aus der Begeisterung durch seinen einstmaligen Lehrer die Geologie,
dann die Pilzkunde (Mycologie), die ihn während 30 Jahren auch zum amtlichen Pilzkontrolleur in Sargans machte. Dann gelangte er in den anspornenden Einflusskreis des Churer Lehrers Flütsch und verschrieb sich der botanischen Forschung. Seine Erklärung ist beeindruckend, dass der Laie für eine Liebhaberarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet Freunde suchen müsse, denen man Fragen und Probleme und auch eigene Erkenntnisse anvertrauen könne, und dass einem die Ergebnisse einer exakten und systematischen Arbeit wiederum neue Freunde zuführen, einschliesslich Gelehrte von Hochschulen, Seminarien und Museen. Diese vielen Freundschaften, die Heinrich Seitter aus seiner Arbeit und aus seinen Exkursionen von Norden bis Süden, von Finnland bis Jugoslawien erwachsen sind, können nicht vermerkt werden; sie bezeugen aber die Anerkennung und Wertschätzung seiner fachlichen Zuständigkeit.

 

Fast wie selbstverständlich tönt es, wenn Heinrich Seitter dem Aussenstehenden erläutert, dass für die systematische Arbeit auf seinem Gebiet natürlich auch Fremdsprachliches, so die Sprache der lateinischen Pflanzennamen, und als weiteres Beispiel auch das cyrillische Alphabet für Konsultation und Verständnis der russischen Quellen zu meistern seien. Daneben müsse man auch ein guter Berggänger sein. Grosse abgeschlossene Arbeiten neben den vielen Werken ehren bereits Heinrich Seitter, so seine Mitarbeit in der allgemeinen Kartierung der Schweizer Pflanzen in der „Flora Europaea“, im „Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen der Schweiz“, in der „Flora Luzern“, und sein im Auftrag der fürstlichen Regierung verfasstes Werk „Flora des Fürstentums Liechtenstein“, um einen Ausschnitt zu nennen. Für seine Arbeiten und seine Verdienste verlieh ihm die Eidgenössische Technische Hochschule im Jahr 1976 die Würde des Doktors honoris causa.

 

Im Jahre 1980, also mit 78 Jahren, traf Heinrich Seitter – wie er verlauten lässt – einen gewagten Entscheid, nämlich die Verpflichtung sich selbst gegenüber, das Werk der „Flora von St.Gallen und Appenzell“ zu Ende zu führen. Aus den ihm bekannten Umständen heraus wusste er, dass die Vorarbeiten mehrerer Gelehrter über Jahre hin verloren wären, wenn nicht er die Vollendung übernehmen würde. Heute kann Heinrich Seitter mit berechtigtem Stolz sein fertiggestelltes Manuskript vorweisen. Seine Sorge besteht jetzt noch darin, wie das umfangreiche Buch herausgegeben und die Druckkosten bestritten werden können. Für die Pflanzenwelt unseres Kantons St.Gallen wird es ein Standardwerk sein.

 

Die St.Gallische Kulturstiftung würdigt die verdienstvolle Forscherarbeit von Heinrich Seitter auf dem Gebiet der Botanik und besonders auch sein Dokumentationswerk zur st.gallischen Flora. Die Stiftung freut sich, ihm dafür einen Anerkennungspreis übergeben zu dürfen.