St. Gallische Kulturstiftung

2007, Frühjahr

Barbara Weber

  • aus Zürich
  • Anerkennungspreis über Fr. 10000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Theaterregisseurin

Urkunde

Barbara Weber erhält den Anerkennungspreis 2007 der St.Gallischen Kulturstiftung für Ihr mutiges und kreatives Bemühen, alte Bühnenstücke zu entstauben, ihre Inhalte durch eine neue Lesart in die Neuzeit umzusetzen und auf deutschsprachigen Bühnen als Regisseurin erfolgreich aufzuführen.

Laudatio von Dr. Hans Büchler

Ungewöhnlich, provokativ, vielleicht riskant mag es sein, wenn ein Mitglied der Kulturstiftung die Preisträgerin von Kindsbeinen an kennt, als gymnasialer Lehrer sie im Unterricht mit ungeliebten Fragen traktiert und im Schulalltag mit ihr gewitzelt und gefrotzelt hat. Ja, ich kann mich erinnern, an jenes Jahr 1975, als im Dorf getuschelt wurde, dass Webers nach drei Söhnen noch eine Tochter beschert worden sei. Barbara heisse sie, wie die Schutzpatronin des Baugewerbes. Später gab es zufällige, dann intensivere Begegnungen. Ein aufgewecktes, kluges Kind war sie, mit Beginn der Pubertät auch kecker, und ohne Zweifel hätte sie den Preis als frechste Göre des Dorfes gewonnen, hätte es ihn gegeben. Aber wen wundert’s, mit drei ebenso kecken älteren Brüdern. Und zwölf Jahre nach ihrer Matura Typus B sitze ich der Erfolgreichen in ihrer Wohnung im Zürcher Kreis 5 gegenüber: zwecks Laudatio.

Jetzt redet sie. Es sei eine behütete Jugend gewesen, ohne Fernsehen, mit vielen Büchern zum Thema Bildung, Literatur und Kunst. Vor allem Biografien von Frauen in Grossstädten und die Rolle des Theaters in unserer Gesellschaft hätten sie fasziniert. Dass sie ihre Jugend auf dem Lande verbracht habe, sei kein Nachteil gewesen, denn in ihrem Beruf zeige sich, dass grosse Teile der Herkunft schnell abgeworfen würden. Mutter und Vater ist sie dankbar für die kulturelle Förderung, ihren Bruder Peter, den erfolgreichen Schriftsteller, bewundert sie. Der von der Gesellschaft erwartete Lebensweg Studium – Heirat – Kinder entsprach nicht ihren Vorstellungen von Selbständigkeit und einem Studiengebiet, das neue Wege beschreiten liess. Schüchternheit kennt sie nicht, aber Kreativität und Dickköpfigkeit – sie selbst nennt es Sturheit -, gepaart mit zähem Durchhaltewillen. Neben dem Regiestudium am Institut für Schauspiel-Theater-Regie der Universität Hamburg war sie Hospitantin und Regieassistentin am Theater am Neumarkt, am Schauspielhaus Zürich und in der freien Szene Zürich. Nach Studienabschluss wollte sie sich den traditionellen Weg durch die Nebenspielstätten der Stadt- und Staatstheater ersparen und entwickelte ein Format, mit dem sie möglichst schnell selbst produzieren konnte: «Unplugged» hiess dieses aus der Popmusik bekannte Prinzip, das sie auf die Bühne übertrug. Ein neues und frisches Theaterformat. Seine Regeln sind einfach, gradlinig: Die Proben dauern maximal zehn Tage; die Schauspieler müssen ihren Text nicht auswendig lernen; das Bühnenbild muss in (Zitat) «drei Türkentaschen» Platz finden und ein Musiker muss live spielen oder wenigstens auf der Bühne Platten auflegen. Nach diesem einfachen Strickmuster sind in rund sieben Jahren ein Dutzend Produktionen entstanden. Auch Hollywoodfilme und brisante politische Stoffe hat sie in freches und verspieltes Theater verwandelt. Durch die imposante Serie kleiner, schneller und auch billiger Produktionen schuf sich die Regisseurin an zahlreichen und namhaften Bühnen zwischen Zürich und Berlin einen ausgezeichneten Namen. Auf ihren Erfolg angesprochen meint sie abwinkend: «Er hält sich in Grenzen, denn nur 3 Prozent unserer Bevölkerung besucht ein Theater». Aber selbst die zurückhaltende NZZ gerät ins Schwärmen: (Zitat) «Im Label Weber steht W für Wahnwitz und E für Eigensinn, und die Anarchie und Sorglosigkeit, mit der hier ein Talent im Zitatenfundus der Mediengesellschaft wütet, muss man sich dazu denken» (Ende Zitat). Im vergangen Jahr stand sie beim Young Directors Projekt der Salzburger Festspiele erfolgreich im grossen Schaufenster der Theaterszene und im vergangenen April war Premiere von «Kebab» im Werkraum der Kammerspiele München. Eine ihrer erfolgreichsten Inszenierungen war übrigens kein «Unplugged»-Stück, sondern «Heidi». Rund achtzig Mal wurde ihre Fassung gezeigt, nicht nur in Wien sondern auch im fernen Japan.

Aus den Tageszeitungen vom 19. Mai konnten Sie entnehmen, dass Barbara Weber ab Saison 2008 mit Rafael Sanchez zur künftigen Leiterin des Theaters am Neumarkt berufen wurde. Wir wünschen viel Erfolg.

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