St. Gallische Kulturstiftung

1999, Frühjahr

Arthur Honegger

  • aus Krummenau
  • Anerkennungspreis über Fr. 5000.– für die Region Toggenburg
  • Sparte: Schriftsteller

Urkunde

Arthur Honegger, Krummenau, erhält einen Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung für sein gesamtes bisheriges literarisches Schaffen. In seinen Werken hat er immer wieder die Lebensumstände gesellschaftlich Benachteiligter geschildert und seinen Erzählungen und Romanen den passenden Lokalkolorit verliehen. Viele seiner Werke zeichnen sich aus durch ein hohes Mass an Authentizität sowie an geschichtlicher Kenntnis und Erfahrung und stellen dar, durch welche politischen Prozesse und Begebenheiten die Benachteiligungen überhaupt zustande kommen.

 

Laudatio, Markus Linder, Jona, Stiftungsrat

Geschätzte Damen und Herren

 

Mir kommt heute die grosse Ehre zuteil, dem Schriftsteller Arthur Honegger aus Krummenau den Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung überreichen zu dürfen. Er erhält den Preis für sein gesamtes bisheriges literarisches Schaffen.

 

Arthur Honegger, der Ende September dieses Jahres 75 Jahre alt wird, veröffentlichte 1974 seinen ersten Roman mit dem Titel «Die Fertigmacher». Bereits vorher schrieb Arthur Honegger, vorwiegend jedoch als Journalist. Das Erstlingswerk Honeggers erregte damals grosses Aufsehen. Klar und deutlich wie selten jemand zuvor zeigte der Autor darin auf, wie übel mit elternlosen jungen Menschen in Heimen während der 30er und 40er-Jahre umgegangen wurde. Er wusste, wovon er schrieb, ist doch das Buch sehr stark autobiographisch geprägt. Bereits in seinem ersten Buch war eine wichtige Richtschnur für sein weiteres literarisches Schaffen gelegt: Immer wieder wird sich Honegger in der Folge den Lebenssituationen gesellschaftlich Benachteiligter zuwenden. Obwohl man weiss, auf welcher Seite er steht, belässt der Autor es in seinen Werken weitgehend bei der Schilderung und Darstellung der Missstände. Er unterlässt es, die Geschehnisse zu kommentieren. Für ihn ist die blasse Schilderung so etwas wie eine erste Grundlage für die Parteinahme zugunsten des Schwächeren. Für ihn ist demnach klar: Nicht er als Schriftsteller soll diesen Schritt tun, sondern die Leserin und der Leser. Er als Autor führt lediglich hin zu diesem Schritt. «Mitteilung der Schicksale» lautet seine Losung, damit nachher an diesen Schicksalen «Anteil genommen» werde. Damit kann erahnt werden, in welchem Stil Arthur Honegger denn schreibt. Das Autorenlexikon deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts von Rowohlt führt dazu aus: «Erzählt wird in schlichter Sprache und gerade darum beeindruckend.» Es ist tatsächlich so: Um Arthur Honeggers Erzählungen und Romane lesen zu können, benötigt man kein Fremdwörterlexikon. Für ihn gehört es eben zusammen: Wenn er sich entscheidet, «blass» zu schildern, dann geschieht das ohne Verklausulierungen, direkt, mittels einer Sprache, die aus dem Leben gegriffen ist, die darstellt, wie die Leute am Wirtshaustisch, am Stubentisch, auf der Strasse, an den Festen miteinander sprechen. Wen wundert’s da, wenn man in Honeggers Werken manchmal ganze Seiten in Dialogform in direkter Rede findet. Honegger ist in diesem Sinne vielleicht fast so etwas wie ein moderner Naturalist.

 

Arthur Honegger hat bis heute 16 Werke veröffentlicht und ein neues Buch ist in Vorbereitung. In vielen Werken ist so etwas wie eine zweite Richtschnur festzustellen. Immer wieder kommt zum Ausdruck, dass Honegger im Rahmen geschichtlichen Bewusstseins schreibt. Parallel zu seinem literarischen Schaffen beschäftigt er sich intensiv mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und seiner Bewältigung bzw. seiner Nicht-Bewältigung, mit den Phasen wirtschaftlicher Krisen in unserer Geschichte sowie mit der Entwicklung der schweizerischen Gesellschaft überhaupt. Bereits als Journalist war Honegger mit vielen dieser Themen konfrontiert. Nur ein Beispiel: Als Prozessberichterstatter erlebte er den Auschwitz-Prozess gegen hohe Nazi-Offiziere eins zu eins mit. So sind denn viele Werke Honeggers in einen bestimmten historischen Kontext eingebettet. So etwa der Roman mit dem Titel «Freitag oder die Angst vor dem Zahltag», erschienen 1976: Dieser Roman spielt in den 30er-Jahren unseres Jahrhunderts und enthält entsprechende Themen wie Arbeitslosigkeit, Frontismus, sowie den Widerstand gegen diesen. Oder etwa die Erzählung «Alpträume», erschienen 1981, in der Honegger die Gründung der Nationalen Aktion in der Stadt Zürich zum Thema macht.

 

Es ist naheliegend: Wer sich mit der Situation von gesellschaftlich Benachteiligten sowie mit geschichtlichen Fragen intensiv befasst, der wird sich früher oder später auch mit politischen Fragen und Prozessen auseinandersetzen. Das ist auch bei Arthur Honegger der Fall. Schon früh engagierte er sich in der Sozialdemokratischen Partei und ist noch heute Mitglied des Grossen Rates des Kantons St. Gallen. Ich denke, dass man der Persönlichkeit Arthur Honeggers zu wenig gerecht würde, wenn man nicht auch dieses Faktum noch erwähnen würde. Es hat jedoch mit dem literarischen Schaffen direkt insofern wenig zu tun, als Honegger sich wie erwähnt der politischen Kommentierung in seinen Büchern enthält. Selbstverständlich ist der politische Hintergrund aber zumindest bei der Themen- und Figurenwahl relevant und zwischen den Zeilen natürlich auch spürbar. Doch Honegger kann zwischendurch auch Abstand nehmen von einer übergeordneten historischen Einbetttung und schildert dann – etwas salopp ausgedrückt – «Land und Lüüt». In diesen Fällen kann Arthur Honegger auch satirisch werden, vor allem dann, wenn er den Ehrgeiz von Politikern thematisiert, wie etwa im 1980 erschienen Buch «Der Nationalrat». Dass sich Honegger zudem in seiner Wahlheimat, dem Toggenburg, ganz wohl fühlt, zeigen seine 1983 erschienenen kurzen Erzählungen unter dem Titel «Der Schneekönig», widmet er sich doch darin mit einem gewissen Schalk verschiedenen Ereignissen im Tal. «Einfach lustige Toggenburger Geschichten» hat er sie einmal genannt. Arthur Honegger hat in den letzten 25 Jahren trotz oder gerade wegen seines nicht immer einfachen Lebens eine beeindruckende literarische Leistung erbracht. Die St.Gallische Kulturstiftung wünscht ihm für die Zukunft alles Gute und hofft, dass er sich noch lange dem Schreiben widmen kann.